20.01.2021

Die Chance auf Einzonung ist klein

Bei der Raumplanung haben individuelle Einzonungswünsche kaum Chancen. Hunderte Gesuchsteller hoffen noch.

Von Andrea C. Plüss
aktualisiert am 03.11.2022
Ein fiktives Beispiel: Das Einfamilienhaus entstand vor 30 Jahren. Der Boden, auf dem es steht, fern vom Dorfzentrum, am äussersten Siedlungsrand der Gemeinde, war günstig. Eine Parzelle mit 2000 m2 konnte sich das junge Ehepaar leisten. Klassifiziert ist das Land als «übriges Gemeindegebiet». Mittlerweile sind die Kinder gross, der Sohn will bauen. Warum nicht neben dem Elternhaus? Gross genug ist die Parzelle ja. Das ältere Ehepaar stellt ein Einzonungsgesuch. Baulandreserven, die heute keine mehr sindUm die hundert Einzonungsgesuche, teils ähnlich motiviert wie im fiktiven Beispiel, gingen in den letzten Jahren beim Gemeinderat Diepoldsau ein. Auch die Gemeinde Oberriet verzeichnet Einzonungsgesuche in ähnlich hoher Zahl. «Bei der Zonenplanung vor 20 Jahren wurde die Bezeichnung «übriges Gemeindegebiet» verwendet, die es heute nicht mehr gibt», sagt Patrick Spirig, der als Gemeinderat in Diepoldsau für die Ortsplanungsrevision zuständig ist. Boden, der als übriges Gemeindebiet klassifiziert war, wurde als Baulandreserve, als Bauerwartungsgebiet verstanden.[caption_left: Der Zonenplan für die Gemeinde  Diepoldsau aus dem Jahr 1997. Bei den weissen Flächen handelt es sich um "übriges Gemeindegebiet".]  Alle Rheintaler Gemeinden müssen die Ortsplanung bis 2027 angepasst haben. Der Grossteil ist bereits seit einiger Zeit mit der Ortsplanungsrevision beschäftigt, andere Gemeinden, so zum Beispiel Rheineck, wollen in diesem Jahr starten. Die Aufgabenstellung ist für alle Gemeinden die gleiche: Entwickelt werden muss ein Gestaltungskonzept, das die kantonalen Vorgaben berücksichtigt. Zwar müssen alle Gemeinden im Rahmen der neuen Raum- und Zonenplanung Baulandreserven ausweisen, die dem Bedarf der nächsten 15 Jahre entsprechen, aber es soll verdichtet gebaut und der Zersiedelung entgegengewirkt werden.  Die Vorgaben sind für alle Gemeinden gleich, nicht jedoch die jeweilige Ausgangssituation. Insbesondere in Diepoldsau und Oberriet finden sich am Siedlungsrand  Zonen, die früher als allgemeine Gebietsreserve galten. Wie gehen die Gemeinden mit den hängigen Einzonungsgesuchen um? Man habe den Gesuchstellern den Eingang bestätigt, gibt Rolf Huber, Gemeindepräsident in Oberriet an. Ergänzt durch den Hinweis, dass die Gesuche wenig Aussicht auf Erfolg hätten. «Ich kann nicht sagen ‹mür luegend denn›, so Huber, «wenn die Baulandreserven, die im Zonenplan auszuweisen sind, bereits bestehen.» Tatsächlich verfügt Oberriet über genügend Bauland, wenngleich es dem Markt nicht unmittelbar zur Verfügung steht. Manche Grundbesitzer möchten ihr Bauland nicht verkaufen. Huber hofft, dass zumindest einige Parzellen in fünf bis zehn Jahren auf den Markt kommen.  «Nicht die Menge der Einzonungsanträge ist die Herausforderung, sondern das Thema Einzonung oder Umzonung an sich», sagt Patrick Spirig. Die Baulandreserven entsprächen knapp den kantonalen Vorgaben. Eventuell sei es möglich, ein noch zu definierendes Gebiet einzuzonen. Der Gemeinderat plant Gespräche mit allen Antragstellern, um die Rahmenbedingungen zu erläutern, unter denen die Gemeinde den neuen Richt- und Zonenplan erarbeitet.  Bedarf der Landwirtschaft berücksichtigenEine besondere Herausforderung besteht in Diepoldsau im Rahmen der Zonenplanung darin, der Landwirtschaft genügend Fruchtfolgeflächen zu erhalten. Tendenziell würden wohl die vormals übrigen Gemeindegebiete zur Landwirtschaftszone, so Spirig.  Für manch einen Grundeigentümer, der auf Baulandeinzonung hoffte, mag das niederschmetternd sein. Der Marktwert für unbebautes Gelände im «übrigen Gemeindegebiet», das der Landwirtschaftszone gleichgesetzt ist, liegt im Rheintal bei etwa 15 Franken/m2. Die Quadratmeterpreise für Arbeitszonen bewegen sich zwischen 250 und 350 Franken, die für Bauland zwischen 800 und 1500 Franken.  Mehrwertabschöpfung schmälert GewinnBei einer Umzonung grosser Flächen kann schnell ein rechter Betrag zusammenkommen. Entsteht dem Grundeigentümer durch Einzonung ein Gewinn, darf er sich diesen jedoch nicht vollumfänglich in die eigene Tasche stecken. Zum Tragen kommt in solchen Fällen die Mehrwertabschöpfung. 25 Prozent des Gewinnes fliesst an den Kanton, der das Geld in einem Topf sammelt, um diejenigen Eigentümer zu entschädigen, die im Rahmen der Zonenplanung beispielsweise Bauland durch Auszonung verlieren und damit einen Wertverlust zu verkraften haben.  Einzonungen und Auszonungen haben sich an einem Gestaltungskonzept auszurichten, das für individuelle Einzonungswünsche praktisch keinen Raum lässt.  «Die Mehrheit der Bevölkerung hat 2013 Ja zum neuen Raumplanungsgesetz gesagt. Diese Spielregeln gelten jetzt», erinnert Patrick Spirig. 

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