01.11.2019

Die Brücke ins Jenseits

In Mexiko wird der Tag der Toten mit einem bunten, fröhlichen Fest gefeiert. Nun erstmals in ihrem Restaurant Helldone’s Burriteria in Rebstein

Von Susi Miara
aktualisiert am 03.11.2022
Vicky Gonzales brachte diese Tradition vor 23 Jahren aus Mexiko nach Vorarlberg. Mit ihrem Mann führte sie ein Restaurant und baute an Allerheiligen dort einen Altar auf. Nach und nach brachte sie den Einheimischen ihre Tradition bei. Zwar kannten viele das bunte Fest aus dem Fernsehen, was dahintersteht, wussten aber die wenigsten.In der Nacht auf den 1. November finden heute in Feldkirch sogar sogenannte Night Walks, Umzüge mit verkleide-ten Totenmasken, Laternen und mexikanischer Musik, statt.Tradition aus der alten Kultur der AztekenVicky Gonzales ist es wichtig, zu betonen, dass der «Dia de los Muertos», der Tag der Toten, keine mexikanische Version von Halloween ist. Halloween gilt als finstere Nacht des Schreckens und des Unheils, während der «Dia de los Muertos» den Zweck hat, Liebe und Respekt für verstorbene Familienmitglieder zu demonstrieren. Die Rituale sind voller Symbolik. Es ist eine Mischung verschiedener Traditionen und Kulturen.Den Ursprung hat der «Dia de los Muertos» in Mexiko. Er geht auf die Ureinwohner zurück. Für sie war der Tod eine natürliche Phase des Lebens. Die Toten galten als Mitglieder der Gemeinschaft und wurden im Geist und in Erinnerungen am Leben gehalten. Nach altmexikanischem Glauben kommen die Toten einmal im Jahr zum Ende der Erntezeit zu Besuch aus dem Jenseits und feiern mit den Lebenden ein fröhliches Wiedersehen. Durch spanische Missionare wurden die Feiern mit dem Hochfest Allerheiligen und dem Gedächtnis Allerseelen zusammengelegt.So steht heute noch das Gedenken an die Verstorbenen im Vordergrund. In Mexiko werden Strassen mit Blumen geschmückt, Symbole des Todes und der Vergänglichkeit, Skelette und Schädel in unterschiedlichsten Ausführungen stehen in den Schaufenstern und überall sieht man Abbildungen der Calavera Catrina.Drei verschiedene Orte in der UnterweltDie Ureinwohner glaubten, dass die Seelen der Toten sich in der Unterwelt befinden. Dabei kamen drei Orte, je nachdem wie der Mensch gestorben ist, in Frage. Menschen, die durch Weltereignisse wie Blitz und Regen zu Tode kamen oder ertranken, fanden in Tlalocan Ruhe und Reichtum. Nach Mictlan kamen alle, die eines natürlichen Todes starben, wobei die Kinderseelen nach einigen Jahren wieder zurückkehren sollten. Gefallene Krieger oder Frauen, die bei der Geburt eines Kindes starben, kamen in die Unterwelt von Omellocan, dem Gott der Krieger. Sie sollten wiedergeboren werden, und zwar als Vögel mit wunderschönen Federn.Ein Altar mit reichlichen Gaben für die TotenIn Mexiko wird das Fest der Toten zu Hause in der Familie und auf dem Friedhof gefeiert. Die Menschen rufen ihre Verstorbenen an die Familientafel, indem sie Altare aufstellen, deren Mittelpunkt Fotos der Verstorbe-nen sind. Auch die Opfergaben haben ihre Bedeutung, erklärt Vicky Gonzales.Kerzen symbolisieren das Feuer, Dekorationen aus ausgeschnittenem Papier die Luft, das Glas mit Wasser steht für das nasse Element und hilft der Seele, nach der langen Reise aus dem Jenseits den Durst zu löschen. Mit Salz sollen sich die Seelen reinigen können.Mit Geschenken zeigt man, dass man an die Verstorbenen denkt. So steht auf dem Altar der Lieblingswein des Verstorbenen, eine Flasche Tequila, aber auch Brot und seine Lieblingsspeisen. Wichtig sind gelbe Studentenblumen (Tagetes); jede ist eine Seele. So zeigt man, dass kein Verstorbener vergessen ist. Die gelben Blüten symbolisierten die Sonne, die den Verstorbenen den Weg zurück zeigen soll. Für den besonderen Moment des Teilens und des Zusammenlebens mit den Toten werden die Speisen für das Fest sorgsam zubereitet. Die Mexikaner verbringen so die ganze Nacht. Tote und Lebende trinken, essen, reden und singen gemeinsam.Doch die Feierlichkeiten in ihrer traditionellen Form gel-ten als bedroht, da sie nach und nach vom kommerziell ausgerichteten Halloween-Brauch überholt werden.Deshalb wurde der «Dia de los Muertos» 2003 von der Unesco zum Meisterwerk des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit ernannt und 2008 in die repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit übernommen.«Dia de los Muertos» erstmals auch im RheintalFür Melissa Alge, Vicky Gonzales’ Tochter, ist das ein Grund, den alten Brauch, auch im Rheintal aufleben zu lassen. In ihrem mexikanischen Restaurant Helldone’s Burriteria fand gestern das erste Fest der Toten statt. Am Abend vor Allerheiligen durften die Kinder mit Basteln und Spielen ein fröhliches Fest feiern. Heute Samstag sind Erwachsene zur «Dia de los Muertos»-Party eingeladen.«Es ist ein fröhlicher, aber auch trauriger Abend», sagt Melissa Alge. «Vor allem wenn die Lieder dann zu stark an die Verstorbenen erinnern.»

Abo Aktion schliessen
News aus der Region?

Alle Geschichten, alle Bilder

... für nur 12 Franken im Monat oder 132 Franken im Jahr.