30.08.2019

Die Biodiversität ist nicht gefährdet

Die Melioration der Rheinebene hat ein neues Gerät für den Unterhalt - und ist damit in die Kritik geraten.

Von Kurt Latzer
aktualisiert am 03.11.2022
Auf etwa 140 km Bachböschungen müssen die Arbeiter der Melioration der Rheinebene den Bewuchs in Grenzen halten. Auch des Hochwasserschutzes wegen. Die hierfür eingesetzte Maschine, ein Traktor mit sogenanntem Mulcher, war in die Jahre gekommen und musste ersetzt werden.Zwölf Jahre hat er seinen Zweck erfüllt. Seit Juli ist nun das neue Gerät im Einsatz, das einigen Leuten sauer aufstösst.Mulch-Mäher sind beiUmweltschützern verpöntWieder habe die Melioration einen Mulcher beschafft, dieses Mal mit Absauganlage, sagten besorgte Bürger. Mulcher stehen bei Umweltschützern seit Jah-ren in der Kritik. Die stähler-nen Schlegel dieser Maschinen schlagen Pflanzen bodeneben ab, Kleingetier hat kaum eine Chance, das zu überleben. «Mulch- oder Schlegelmäher sind für die Biodiversität eine Katastrophe. Im Zeichen der Effizienz werden Eidechsen, Blindschleichen, Igel, Frösche, Insekten, aber auch Sommer-flor geschnetzelt», sagt Martin Zimmermann, Geschäftsführer WWF Appenzell Inner- und Ausserrhoden sowie St. Gallen und Thurgau. Ginge es nach dem Willen von Pro Natura, müsste man Mulcher bei der Bachbord- und Strassenrandpflege ganz verbieten.Lange nachguter Lösung gesucht«Die negativen Auswirkungen solcher Maschinen auf die Kleintierfauna gelten schon seit geraumer Zeit als erwiesen», sagt Ignaz Hugentobler, Präsident von Pro Riet. Seiner Ansicht nach müsste die Melioration der Rheinebene mit gutem Beispiel vorangehen und eine schonendere und naturverträgliche Lösung für das Mähen der Böschungen finden. Aus dem Grund würde es ihn wundern, hätte die Melioration wieder einen Mulcher beschafft. Dies auch, weil Pro Riet entsprechende Empfehlungen mehrmals an die Melioration der Rheinebene abgegeben hat, erstmals 2004. Mit seiner Skepsis liegt der Pro-Riet-Präsident richtig.Die Leute, die sich über die Neuanschaffung ärgern, sehen: Das neue Geräte gleicht sehr einem Mulcher. Es ist aber keiner. Bei näherer Betrachtung. «Wir haben uns die Suche nach dem bestmöglichen Gerät nicht leicht gemacht», sagt Matthias Kreis, Geschäftsführer der Melioration der Rheinebene. Beim neuen Gerät handelt es sich um einen Mäher, ausgestattet mit y-förmigen Klingen. Patrick Knür, Mitarbeiter der Melioration, hat mit der Neuanschaffung bereits einige Erfahrungen gemacht, nach dem Mähen sogar gefilmt und Fotos geschossen.Düngung verhindern,Biodiversität fördern«Die Pflanzen der Bachböschung werden in 10 bis 15 Zentimetern Höhe geschnitten, mit einer Förderschnecke transportiert und dann mit dem Gebläse in den Anhänger befördert», sagt Knür. Abgesaugt werde nicht direkt ab Boden, sondern erst viel weiter oben. Und tatsächlich: Auf seinem Video kriechen auf der frisch gemähten Fläche Raupen, krabbeln Ameisen und anderes Kleingetier. Am Donnerstagnachmittag präsentierten Patrick Knür und Matthias Kreis eine frisch gemähte Böschung. Die Halme sind nicht bodeneben abgeschlagen, sondern in etwa 15 Zentimetern Höhe abgeschnitten.«Dank der Sensoren bleibt der Mäher exakt in der gewünschten Höhe», sagt Patrick Knür. Er ist von der Neuanschaffung begeistert. Denn das Schnittgut bleibt nicht wie früher gehäckselt an den Böschungen liegen. «So sollten mehr Wiesenblumen gedeihen, weil der Untergrund nicht mehr gedüngt und damit magerer wird», sagt der Meliorationsmitarbeiter.Balkenmäher ohneAbsaugung besserAuch Matthias Kreis ist zufrieden, weil das neue Gerät, das etwa 500000 Franken gekostet hat, wie erhofft funktioniert. «Vergleichbare Geräte sind nicht viele im Einsatz. Wir haben uns bei der Beschaffung viele Gedanken gemacht», sagt der Geschäftsführer. Beim Maschinenpark vieler Unternehmen, die Bachböschungen oder Strassenränder pflegen, sei einiges im Umbruch, der Artenvielfalt und Ökologie zuliebe. Das Mähen der Ufer – auch jenen am Littenbach von Berneck bis Au – beginnt jeweils im Juli, Ende November ist die Arbeit getan. Das Pflanzenmaterial wird nach dem Schnitt in den Anhänger geblasen und anschliessend in die Anlage der Rhy-Biogas AG in Widnau transportiert.Bei Pro Riet ist man über das Absaugen des Schnittguts nicht so glücklich. Heuschrecken sind auf das geschnittene Gras angewiesen. Gemäss den Fachleuten wäre ein Balkenmäher idealer. Das Schnittgut sollte in Abständen angehäuft werden, als idealer Rückzugsort für Insekten wie Heuschrecken. Doch besser als ein Mulcher mit Direktabsaugung ab Boden sei die Neuanschaffung allemal.Unternehmen wie die Melioration der Rheinebene sind gefordert, zwischen Ökologie und Ökonomie abzuwägen. «Der Aufwand mit dem neuen Gerät ist etwa dreimal grösser als vorher mit dem Mulcher», sagt Matthias Kreis.

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