16.11.2018

Die Ära Schnetzer geht zu Ende

Natal Schnetzer ist nicht mehr Präsident des FC St. Margrethen. Er sagt, die Belastung sei zu gross geworden, es mangle an Unterstützung. Wie es mit dem Verein weitergeht, steht in den Sternen. Schnetzer ist in neun Jahren vieles gelungen, aber nicht alles.

Von Remo Zollinger
aktualisiert am 03.11.2022
Kurz nachdem Natal Schnetzer das Amt als Präsident angetreten hatte, stand in dieser Zeitung, auf ihn habe man im Rheintaler Fussball nicht gewartet, auf den Mann in englischem Polohemd und Tom-Ford-Brille. Schnetzer übernahm im Frühjahr 2010. «Der Verein lag am Boden, ich wollte ihm neues Leben einhauchen», sagt er. In den letzten 20 Jah­ren war St. Margrethen nie so schlecht wie damals.Ein Jahr später gelang nach einem packenden Kopf-an-Kopf-Rennen mit Rebstein der Aufstieg in die 2. Liga. Auch, weil Schnetzer finanzkräftige Sponsoren gefunden und der Verein viel in die Mannschaft investiert hatte.Schnetzer hat heute genug vom «Mitteleinsatz»Neun Jahre später sagt Schnetzer, die Gier der Spieler nach Spesen steige stets, stehe in keinem Verhältnis zu ihrer Leistungsbereitschaft und der Identifikation für den Club. Dass er selbst an der Geldschraube im Regionalfussball gedreht hat, vergisst und verneint er nicht. «Diese Kröte muss ich schlucken», sagt er, der immer dazu stand, Spieler auch mit finanziellen Reizen zu ködern.Schnetzer nennt es «Mitteleinsatz». Und hat genug davon. Auch wegen der letzten Saison. Bis zuletzt war der FC im Abstiegskampf, trotz stark besetztem Team. Der Präsident schrieb im Matchprogramm, der Abstieg wäre kein Thema, würden die Spieler auf dem Rasen das gleiche Engagement zeigen wie bei den Spesenverhandlungen. Prompt holte St. Margrethen in zwei Spielen sechs Punkte, schoss zwölf Tore. Und stieg nicht ab.Dem scheidenden Präsidenten geht’s aber nicht primär ums Geld, sondern um eine geplatzte Vision. Prägend sei ein Spiel in Rebstein gewesen, sagt Schnetzer. Das wollte er auch: Ein Club, bei dem Spieler und Zuschauer zusammen etwas trinken und das gern tun. Doch in St. Margrethen sind die Voraussetzungen anders.Der FC St. Margrethen ist kein Dorfverein gewordenDer FC ist trotz vieler Bemühungen, vor allem in der ersten Hälfte Schnetzers Amtszeit, nicht zu einem Dorfverein worden. Es kommen nicht mehr Zuschauer als zuvor, der Verein fristet ein Mauerblümchen-Dasein. Ist verschrien als Ausländerverein. Am FC, sagt Schnetzer, sei die Heterogenität der St. Margre­ther Bevölkerung abzulesen. Bei Spielen stehen die Zuschauer mit ausländischen Wurzeln auf einer Seite, die Schweizer beim Clublokal.So sei nie etwas zusammengewachsen, das gern freiwillig zusammen ist. Das gesellschaftliche Leben, etwa nach Spielen, sei auf wenige Personen, immer die gleichen, beschränkt. «Gäste» aus dem Dorf fehlen ebenso wie viele auswärtige Spieler, die nach dem Spiel nicht zum Clublokal kommen. Schnetzer sagte einmal: «Stelle ich der Mannschaft eine Kiste Bier in die Kabine, ist diese nachher noch zu drei Vierteln voll und keiner mehr da.»«Da frage ich mich: Braucht, ja verdient St. Margrethen eine 2.-Liga-Mannschaft?»Solche unbeantwortete Fragen führten zu einer Amtsmüdigkeit. Das Herzblut ist noch da, das sagt er, das ist spürbar. Der aktuell dienstälteste Präsident des Rheintaler Fussballs hat ja alles gern gemacht. Doch die Belastung sei zu gross. «Im Sommer war das stets ein 50-Prozent-Job», sagt er. Auch, weil der Vorstand sehr klein ist und Schnetzer gemeinsam mit dem sehr engagierten Fredi Britt mehrere Ämtli ausfüllte.Wie es weitergeht, steht in den SternenAls er an der HV den Bericht verlas und ankündigte, sich nicht mehr als Präsident zur Verfügung zu stellen, war das ein Ruf nach mehr Unterstützung. Ein Ruf, der aber ungehört verhallte. Niemand sei auf ihn zugekommen, habe angeboten, dieses oder jenes zu übernehmen.Deshalb braucht der FC wohl wieder einen forschen Auswärtigen, um sportlich bestehen zu können. «St. Margrethen könnte auch als Club mit Junioren und Teams in der 4. oder 5. Liga existieren, kein Problem. Ich fände das einfach sehr ambitionslos», sagt Schnetzer. Denn wenn kein Geld mehr fliesst, «zieht die Karawane weiter». Die meisten Spieler sind gut, würden problemlos einen neuen Verein finden, bei dem sie wohl vor mehr Zuschauern kicken würden.Doch egal, wie wenig Zuschauer kommen: Der Unterhaltungsfaktor ist auf der Rheinau hoch, St. Margrethen ist ein kleiner «FC Hollywood». Dazu trug auch Schnetzer bei: Er sass bei Spielen jeweils bei der Ersatzbank. Tanzte nach einer Fehlentscheidung mal wie ein Rumpelstilzchen, nach einem Sieg mal einen Schuhplattler in Lederhosen. Unter Schnetzer feierte St. Margrethen drei Aufstiege, denen zwei Abstiege gegenüberstehen. «Das gibt eine Plus-eins-Bilanz», sagt Schnetzer.Er hat mit dem Club viele Erfolge gefeiert. Die Derbys, besonders die gewonnenen Interregio-Spiele gegen Widnau, in deren Folge St. Margrethen die Nummer 1 des Tals wurde, bleiben in Erinnerung. «Aber vor allem habe ich Freunde fürs Leben gewonnen.» Schnetzer behagt die Mentalität des Rheintaler Fussballs, seine Direktheit, die Unverblümtheit, die er sich als Unternehmer vielleicht nicht immer erlauben kann. «Einander auch mal anfluchen, aber dann nach dem Spiel zusammen etwas trinken: Das ist das Salz in der Suppe», sagt er. Egal, ob das Gegenüber ein englisches Polohemd oder eine Trainerhose trägt.

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