Das mächtige Gebäude an der Churerstrasse war im Kanton St. Gallen bis Ende der Achtzigerjahre eines der letzten noch erhaltenen Industriegebäude seiner Art. Der Abbruch war umstritten. Mit einer Petition war vom damaligen Stadtrat verlangt worden, das Haus in ein multifunktional nutzbares, kulturelles Zentrum umzuwandeln.Kaum gebaut, stark von Feuer beschädigtDie 1857 gebaute Fabrik war kaum fertiggestellt, als ein Brand sie im November 1858 schwer beschädigte. Die Eigentümer, die mit einer Handweberei und Beuteltuchfabrikation begonnen und gerade in eine grosse mechanische Buntweberei investiert hatten, waren finanziell am Ende. Die «Mechanische Weberei in Altstätten» als Nachfolgefirma und drittälteste Buntweberei im Kanton begann 1859 mit der Produktion.Die Zahl der Webstühle stieg in zwei Jahrzehnten von 120 auf 224, in der Fabrik arbeiteten 233 Menschen. Nach 1860 nahm der Bedarf an Stickereiartikeln so stark zu, dass viele Bauern und Handwerker daheim eine Stickmaschine installierten. So wurden viele Kinder, die ab 1877 erst ab 14 Jahren in der Fabrik arbeiten durften, in den Textilarbeiterfamilien als Arbeitskräfte ausgenutzt.Dem neuen Eigentümer gehörte auch JosefsheimAb 1902 diente das Gebäude einer mechanischen Trikot- und Strumpfwarenfabrik, 1906 kaufte der aus Oberegg stammende Fidel Eugster das Fabrikgebäude. Im gehörte auch das Josefsheim an der Bahnhofstrasse, von wo die Firma an die Churerstrasse dislozierte. Aus dem Josefsheim, in dessen Untergeschoss heute der Altstätter Jugendtreff untergebracht ist, wurde ein Mädchenheim für italienische Gastarbeiterinnen.Fidel Eugster hatte in den besten Zeiten 400 Angestellte und eine grosse Zahl von Heimstickern, die für ihn tätig waren. Eugster zahlte schlechte Löhne und scheute sich nicht, zu spät zur Arbeit erscheinende Mitarbeitende mit den Worten nach Hause zu schicken, sie könnten am Nachmittag wieder kommen. Gegen Ende der Zwanzigerjahre, im Zuge der Wirtschaftskrise, ging es mit der ersten grossen Altstätter Fabrik steil bergab.[caption_left: Heute stehen am ehemaligen Accordina-Standort Mehrfamilienhäuser. Bild: gb]In der zweiten Hälfte der Dreissigerjahre, als es an Rohstoffen mangelte, war im Fabrikgebäude die Holka AG tätig. Diese Firma importierte vom ersten staatlichen Automobilkonzern Deutschlands, der Auto Union in Chemnitz, DKW-Fahrgestelle und Motoren und baute dafür Karosserien aus Sperrholz. Ausserdem stattete die Firma die Autos mit Kunstlederüberzügen aus. Insgesamt entstanden so etwa 1650 Autos mit einer Holzkarosserie.Die aus Laupen BE zugezogene Handorgelherstellerin Accordina AG eröffnete ihren Altstätter Betrieb am 1. Oktober 1944. Etwa dreissig Angestellte waren für die Accordina tätig. Ende der Achtzigerjahre musste auch dieser Betrieb die Produktion einstellen, und die grosse Fabrik am Altstätter Stadtbach stand noch eine Zeitlang leer, bevor sie abgerissen und durch Mehrfamilienhäuser ersetzt wurde.Eine Besonderheit war einer der Seitenflügel der Accordina. Er stammte ebenso wie das Josefsheim vom bedeutenden Jugendstilarchitekten Johann Labonthé. Quellen: «Die grosse Fabrik im Wiesenthal» von Meinrad Gschwend (1988); Swiss Car Register; Geschichte der Stadt und Gemeinde Altstätten.