15.05.2020

Der Zaun stand ganz dumm

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
«Es war einmal ein Lattenzaun, mit Zwischenraum, hindurchzuschaun. Ein Architekt, der dieses sah, stand eines Abends plötzlich da – und nahm den Zwischenraum heraus und baute draus ein grosses Haus.» Dies ist die erste Hälfte eines bekannten Gedichts von Christian Morgenstern.Ums Widnauer Altersheim wurde ein anderer Hag errichtet – ein Bauzaun. Dieser Hag löste bei ästhetisch empfindsamen Menschen kein Glücksgefühl aus, er hatte anfangs nicht mal einen Zwischenraum. Doch solcher Zwischenraum ist nötig, will man nicht nur zwischen den Zeilen lesen, sondern auch zwischen den Dingen sehen (zum Beispiel, dass ein Zwischenraum zwischen Heim und Hag entsteht, in dem die Altersheimbewohner sich frei bewegen können).Das Gedicht von Morgenstern geht übrigens so weiter: «Der Zaun indessen stand ganz dumm, mit Latten ohne was herum. Ein Anblick grässlich und gemein. Drum zog ihn der Senat auch ein. Der Architekt jedoch entfloh nach Afri- od- Ameriko.»Behördenmitgliedern ist diese Möglichkeit des Entfliehens zum Glück nicht vergönnt, wenn etwas von ihnen Beschlossenes der Bevölkerung ganz oder teilweise missfällt.Gert Bruderergert.bruderer @ rheintaler.ch

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