Max TinnerNach der Arbeit fährt Ernst Kob-ler täglich mit einem E-Bike die Bergstrasse gegen den Montlinger Schwamm hinauf, auf dem Packträger einen Harass mit ein paar Petflaschen voller Zuckerwasser. Dieses ist nicht für ihn selbst, sondern für seine Bienen in einer alten Schutzhütte direkt am Galgenbach, die heute als Bienenstand dient. Ernst Kobler zieht hier Jungvölker nach. Er hat die Hütte von der Ortsgemeinde Montlingen gepachtet. Dafür entrichtet er ihr als Zins jährlich fünf Glas Bienenhonig. Das sei im Vertrag so abgemacht. Nicht abgemacht sei, wie gross die Gläser zu sein hätten, sagt Kobler augenzwinkernd. Der Harder füllt den Montlingern trotzdem nicht nur Portionengläsli ab.Mit offenen Augen durch den WaldAls junger Mann hätte er sich kaum vorstellen können, einmal zu imkern. Seine Haut reagierte stark auf Bienenstiche. Nicht selten kam es zu einem eigentlichen Nesselfieber. Ihm fiel aber auch auf, dass es in den Obstbäumen immer weniger Bienen hatte. Das fand er bedenklich. Als ihm dann ein befreundeter Imker anbot, er würde ihm eines seiner Völker überlassen, ging er darauf ein. Seine Empfindlichkeit auf das Insektengift liess nach. Da übernahm er später auch noch die restlichen Völker.Was er für die Imkerei wissen musste, lernte Ernst Kobler von andern Imkern und in einem Kurs an der landwirtschaftlichen Schule in Salez. Sein Interesse endet aber nicht am Flugloch der Bienen. Ernst Kobler geht mit offenen Augen durch den Wald. Entdeckt er etwas, was er nicht kennt, geht er dem auf den Grund. Zu seinen liebsten Büchern gehören darum Bestimmungsbücher für Blütenpflanzen, Pilze und Waldinsekten. Er sammelt auch gerne Wildkräuter und Pilze. Auch dazu hat er Lehrgänge absolviert bzw. von Pilzkontrolleuren gelernt. «Man muss schon gut aufpassen», betont er. Obschon er sich sehr gut auskenne, sei ihm einmal etwas Ungesundes in den Salat geraten. Wohl nur ein einzelnes Blatt. Aber es reichte für einen Tag mit heftigen Bauchschmerzen.Schlitten und Schindeln: Ernst Kobler macht sie selbstNicht nur den gelegentlichen Wildkräutersalat auf dem Mittagstisch verdankt die Familie Kobler dem Wald. Ernst Kobler ist gelernter Möbelschreiner und arbeitet im Holzbaubetrieb seines Bruders. Da das Holz im Wald wächst, kann man sagen, er lebt indirekt vom Wald. Und Ernst Kobler ist ein Hölziger durch und durch. Mit 40 Jahren machte er noch eine Zweitausbildung zum Wagner. Die Stiele für Schaufeln, Heugabeln, Zapi oder anderes Werkzeug macht er selbst. Und wenn er in einem schneereichen Winter einmal einen Schlitten den Berg hinauf zieht, um im Schuss auf diesem wieder hinabzufahren, ist es ebenfalls ein selbstgebauter.Als die Holzrhode Kobelwald dann ihre Alphütte auf Loos renovierte und mit Schindeln aus Holz aus dem eigenen Wald verkleiden wollte, lernte Ernst Kob-ler von einem der letzten Schindelmacher der Schweiz auch noch dessen Handwerk. Auch die Schindeln am Turm der Harder Galluskapelle sind von Ernst Kobler aus einer Kobelwälder Lärche gemacht. Von solchen Arbeiten leben kann Ernst Kobler nicht. «Die industriell gefertigte Ware ist viel billiger; kaum jemand ist bereit, die Mehrkosten für die Handarbeit zu zahlen.»Die Bäume für das Holz, das er verarbeitet oder das er für seinen Kachelofen zu Hause braucht, fällt er nicht selbst. Auch wenn er es könnte: «Den Baum für meinen ersten Firstbalken habe ich nach Anweisungen meines Vaters selbst gefällt – darauf bin ich noch heute stolz», sagt er.Überhaupt liegt der Wald Ernst Kobler seit frühester Kindheit nah. Aufgewachsen in einer 14-köpfigen Bauernfamilie waren die Freizeitmöglichkeiten beschränkt. Man kletterte etwa miteinander den Galgenbach hoch, um zu schauen, wo er entspringt, erzählt er. An dessen Bord setzt er sich immer noch gerne, wenn er seine Bienen gefüttert hat. Dann hört er den Vögeln zu und schaut, wie sich die Pflanzen nach und nach ihren Lebensraum zurückerobern, den ihnen der Bach alle paar Jahre während heftiger Unwetter raubt. Er geniesst jede Minute hier. «Ohne die abendliche Stunde im Wald würde mir etwas fehlen», ist sich Ernst Kobler sicher.Hinweis«Wald und Gesundheit» ist das heurige Jahresmotto des St. Galler Forstdienstes. In dieser kleinen Sommerserie erzählen einige Rheintaler während eines Waldspaziergangs, in welcher Weise der Wald ihnen gut tut.