24.04.2021

Der Vizepräsident als Strohmann

In Walzenhausen soll Land von Roger Rüesch eingezont werden. Der Gemeinderat handelt im Auftrag einer Firma.

Von Jesko Calderara
aktualisiert am 03.11.2022
Jesko CalderaraEs geht um Geld, um viel Geld. Dutzenden Grundstückeigentümern in Walzenhausen drohen Auszonungen und damit erhebliche finanzielle Einbussen. Ob Betroffene dafür eines Tages entschädigt werden, ist wie so vieles noch unklar. Die laufende Ortsplanungsrevision sieht aber auch eine Einzonung vor. So soll gemäss dem teilrevidierten Zonenplan, der zurzeit öffentlich aufliegt, im Gebiet Dorf neues Bauland von 3044 Quadratmetern geschaffen werden. Pikant dabei: 2151 Quadratmeter dieser Fläche gehören Vizegemeindepräsident Roger Rüesch, wie ein Eintrag im Geo-portal zeigt. Dank der Zuweisung zum Baugebiet gewinnen Grundstücke stark an Wert. Im erwähnten Fall sind es schätzungsweise mehrere hunderttausend Franken. Nebst den finanziellen Aspekten wirft dieses heikle Eigengeschäft von Roger Rüesch noch weitere Fragen auf, etwa jene nach möglichen Interessenkonflikten. Denn als Gemeinderatsmitglied arbeitet Rüesch an der Ausarbeitung eines Zonenplans mit, bei dem er auch privat involviert ist. Gesetz verlangt Strategie für Innenentwicklung Das Thema Auszonungen dürfte die Behörden in der Vorderländer Gemeinde noch für Jahre beschäftigen. Gemäss dem kantonalen Richtplan muss Walzenhausen sein Baugebiet um 4,4 Hektaren reduzieren – so viel wie keine andere Ausserrhoder Gemeinde. Zudem muss eine Innenentwicklungsstrategie aus-gearbeitet werden. Eine solche schreibt das eidgenössische Raumplanungsgesetz ebenfalls vor. In Walzenhausen liegen die Schwerpunkte der Innenentwicklung im Dorfzentrum, betroffen sind unter anderem die Parzellen des Hotels, des Bahnhofareals, der öffentlichen Parkplätze, der Häuserzeile «Möbelhaus Griff», der «Holzkirche», der heute nicht bebauten Wiese zwischen der «Holzkirche» und dem Quartier Nord und der «Walz Druckerei». Im Gebiet Holzkirche/Nord hat Rüesch 8800 Quadratmeter Landwirtschaftsland gekauft. Gemäss dem bäuerlichen Bodenrecht dürfen nur Personen, welche über eine landwirtschaftliche Betriebsnummer verfügen, solche Grundstücke kaufen. Als Hobby-Schafhalter war Rüesch dazu berechtigt. Das Grundstück war nicht in der Planungszone Das Geschäft wurde im Oktober 2018 abgewickelt, wie in der entsprechenden Handänderung im Gemeindeblatt ersichtlich ist. Vor zweieinhalb Jahren also, zu einem Zeitpunkt, als der Gemeinderat sich bereits intensiv mit der Ortsplanungsrevision beschäftigte. Auf der Suche nach möglichen Ursachen für diesen Immobiliendeal kommt die BEG Bauland Erschliessungs AG Walzenhausen (siehe Kasten) ins Spiel. Diese Gesellschaft besitzt im Zentrum über 7727 Quadratmeter Bauland, das sich heute in der Kern- und Wohnzone befindet. Davon sind 5335 Quadratmeter nicht überbaut. Diese Fläche ist schwierig zu erschliessen und soll deshalb dem Nichtbaugebiet zugeführt werden, wie es im Planungsbericht zur Revision der Ortsplanung heisst. Über diese Parzelle wurde nie die Planungszone verhängt. Es ist allerdings mit ei-ner Sondernutzungsplanpflicht überlagert. Gemäss Weisung des kantonalen Departements Bau und Volkswirtschaft sind derzeit Sondernutzungsplanverfahren zu sistieren beziehungsweise nicht aufzunehmen, bis die Flächen, welche dem Nichtbaugebiet zugewiesen werden müssen, über eine Zonenplanrevision gesichert sind. Diese Sistierung kommt faktisch einer Planungszone gleich. In beiden Fällen ist es untersagt, Vorhaben zu realisieren, welche den Planungsabsichten der Behörden widersprechen.Einzonung unterliegt der Mehrwertabgabe Die BEG profitiert auch von einer Einzonung. Die entsprechende Parzelle liegt neben dem Land von Roger Rüesch, das neu eingezont werden soll. Zusammen könnte dort dereinst eine Überbauung realisiert werden. Und tatsächlich: Der Walzenhauser Vizegemeindepräsident hat als eine Art Strohmann im Auftrag des Immobilienunternehmens gehandelt. Dies be-stätigen die BEG, die Gemeinde Walzenhausen und Roger Rüesch in einer gemeinsamen Medienmitteilung. Demnach hat Rüesch zur Finanzierung des Kaufs, für den die Bodenrechtskommission den Maximalpreis festgelegt hat, ein Darlehen der BEG erhalten. Gleichzeitig wurde gemäss Clemens Wick, Präsident der BEG Bauland Erschliessungs AG Walzenhausen, für zehn Jahre ein Kaufrecht zum gleichen Betrag im Grundbuch eingetragen. Somit wird das Land der BEG gehören, sobald der Zonenplan in Kraft getreten ist. Dem heutigen Grundeigentümer entstehe aufgrund des bereits grundbuchamtlich festgelegten Kaufpreises und weiterer Regelungen im Kaufrechtsvertrag keinerlei finanzielle Vorteile, heisst es in der Stellungnahme weiter. Unter Berücksichtigung der Baulandumlegung trägt die BEG netto 2291 Quadratmeter oder rund fünf Prozent zur Gesamtfläche bei, welche in Walzenhausen dem Nichtbaugebiet zugewiesen werden muss. Weiter beabsichtigt die BEG nach eigenen Angaben ein Grundstück zu erwerben, welches ebenfalls ausgezont werden soll. Grundabsicht der BEG sei es, die Entwicklung von Walzenhausen aktiv zu unterstützen, betont das Unternehmen. So veräussere die BEG seit Jahrzehnten Bauland zu Konditionen, welche deutlich unter den Marktpreisen liegen. Allfällige Gewinne würden im Sinne des Gesellschaftszwecks in zukünftige Projekte zugunsten des Dorfes investiert.Die Einzonung untersteht der Mehrwertabgabe. Diese beläuft sich auf 20 Prozent vom Mehrwert, sofern dieser mindestens 20 000 Franken beträgt. Noch offen ist, ob die BEG als zukünftige Eigentümerin des erwähnten Bodens für die Auszonungen Entschädigungen aus dem kantonalen Ausgleichsfonds beantragen kann. Gemeindepräsident muss in den Ausstand Sofern dereinst bei der «Holzkirche» ein Bauprojekt realisiert wird, werden die kommunalen und kantonalen Bewilligungsbehörden sowie die Bevölkerung ein Wort mitreden. Wegen der Sondernutzungsplanpflicht sei dies sichergestellt, steht in der Stellungnahme. Ganz unproblematisch ist die Vermischung zwischen den Interessen der Gemeinde und jener der BEG aber nicht. Im Rahmen eines Rekursverfahrens im Zusammenhang mit der Planungszone hat das Obergericht einen Entscheid gegen den Gemeinderat gefällt. Demnach müssen Gemeindepräsident Michael Litscher, der dem BEG-Verwaltungsrat angehörte, mittlerweile aber aus dem Gremium zurückgetreten ist, und Vizegemeindepräsident Roger Rüesch als Landbesitzer in den Gemeinderatsgeschäften bezüglich der erwähnten Grundstücke in den Ausstand treten. Mit der Rechtskraft des Urteils sei diese Anweisung umgesetzt worden, versichert die Gemeinde. Eine Beschwerde zum gleichen Thema ist vor dem Obergericht allerdings noch hängig.

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