23.11.2021

Der vierte Lockdown hat begonnen

In Österreich dürfen seit Montag nur noch Läden des täglichen Bedarfs geöffnet haben. Der Messepark Dornbirn ist wie leergefegt.

Von Alain Rutishauser
aktualisiert am 02.11.2022
Kaum einmal war die Parkplatzsuche vor dem Messepark in Dornbirn so einfach wie an diesem Montagmorgen. Nur knapp die Hälfte der Parkplätze sind belegt. An einem normalen Wochentag sind meist alle Plätze mit Autos zugeparkt. Auch nach Schweizer Kennzeichen, die sonst so prominent vertreten sind, sucht man lange: zwei Einkaufstouristen aus St. Gallen, einer aus Appenzell Ausserrhoden. Trotz des miesen, grauen Wetters wird dieser 22. November lange im Gedächtnis bleiben. Es ist der Start des vierten Lockdowns in Österreich. Ähnlich trist wie das Wetter draussen präsentiert sich das Innere des Einkaufszentrums. Ausser DM, Interspar und den übrigen Läden des täglichen Bedarfs ist alles geschlossen. Im Media-Markt können bestellte Produkte abgeholt werden und das Restaurant im obersten Stock bietet Take-away an. [caption_left: Ausser den Läden des täglichen Bedarfs ist alles geschlossen. (Bild: Andri Vöhringer)]Nur vereinzelte Besucher in den GängenGenutzt werden die Angebote kaum. Nur vereinzelte Besucher schlurfen durch die Gänge. Es wird kaum gesprochen, von Weihnachts- oder sonstiger Feststimmung ist nichts zu spüren. Der jeweilige Gemütszustand lässt sich unter der FFP2-Maske nur erahnen: müde, lustlos, gleichgültig. Einzig die Wichtel in der aufwendig gestalteten Weihnachtsdeko gegenüber des Interspar winken den wenigen Besuchern fröhlich zu. Eine ältere Frau hält sich die Hände vor die Augen, um im dunklen Innern eines geschlossenen Geschäfts etwas zu erkennen. Als die Frau, die sich als Marianne vorstellt, nach einem kurzen Statement zum Lockdown gefragt wird, winkt sie nur müde ab. «Der Lockdown ist eine Katastrophe. Es ist einfach kein normales Leben mehr, und das schon lange.» Wenigstens fühle sie sich sicher, gestern habe sie die dritte Impfung erhalten. Wer es Marianne gleichtun und sich spontan im Messepark impfen lassen will, der guckt jedoch in die Röhre. Die sogenannte Impfkoje im Einkaufscenter ist lediglich donnerstags bis samstags geöffnet. Im Interspar sind die Gänge wenigstens etwas belebter, doch auch hier sind längst nicht so viele Besucher wie an normalen Tagen. Der Getränkemarkt oder die Spielwarenabteilung in den hinteren Teilen des Geschäfts gleichen einer Geisterstadt. Sechs der zehn Kassen sind geschlossen, der Grossteil der Einkaufswagen stehen die nächsten Tage wohl umsonst bereit. Österreicher begrüssen die ImpfpflichtMonika Wiesinger ist eine der wenigen, die am Montag ihre Einkäufe im Messepark erledigt. «Wir sind uns ja bereits an Lockdowns gewöhnt», sagt sie. Es habe in Österreich einfach zu wenig Geimpfte und zu viele Skeptiker. Zu Beginn der Pandemie gehörte Wiesinger auch zu den Skeptikern. Dann infizierte sie sich mit Covid-19 und war drei Wochen ausser Gefecht. «Nach zwei Monaten war meine Lungenfunktion halbwegs wieder intakt», sagt Wiesinger. Sie habe ein knappes halbes Jahr gebraucht, bis sie wieder vollständig auf den Beinen war. Und dann liess sie sich impfen. Sie hat sich noch freiwillig für die Impfung entschieden, doch ab Februar gilt in Österreich die Impfpflicht. Für Wiesinger eine gute Sache: «Ich finde das eine Ansage. Endlich erhalten die ganzen Skeptiker einen Tritt in den Hintern.» Ähnlich sieht es Pascal Janssen, der soeben im Interspar einkaufen war. Auch er begrüsst die Impfpflicht. Doch der Lockdown stimmt ihn traurig. «Die österreichische Regierung versagt komplett. Die sind mehr mit sich selbst beschäftigt als mit ihren eigentlichen Aufgaben», findet Janssen. Er kommt ursprünglich aus Basel, lebt aber seit 16 Jahren in Vorarlberg. Er kennt also beide Regierungen, und lobt die Schweiz, dessen Regierung nach seinem Empfinden viel besser durch die Pandemie leite. «Hätte ich keine Familie und ein Haus hier, ich wäre schon längst wieder zurück in der Schweiz.»Logische Konsequenz der «Untätigkeit der letzten Monate»Auch Andreas F. kommt ursprünglich aus der Schweiz, lebt nun in Österreich. Für ihn war der Lockdown abzusehen und die logische Konsequenz der Untätigkeit der letzten Monate. «Alle schauten zu, wie sich die Lage in den Spitälern zuspitzt. Hätte man von Anfang an richtig reagiert, wäre der Lockdown zu verhindern gewesen», sagt Andreas F. Er spielt Onlinepoker und macht Videos auf Youtube. Dadurch sei trotz Lockdown Vieles möglich für ihn. «Aber klar: Das gesellschaftliche Leben leidet stark darunter. Wenn ich sonst nichts mehr unternehmen kann, gehe ich eben joggen», sagt er. [caption_left: Restaurants und Cafés sind zu, und das Take-away-Angebot wird kaum genutzt. (Bild: Andri Vöhringer)]Die triste Stimmung ist ansteckend, der Besuch im Messepark stimmt nachdenklich. Genug gesehen, ab nach Hause in die Schweiz. Wo das Leben vergleichsweise pulsiert. Wo in Einkaufszentren noch etwas los ist. Wo sich die Leute trotz Kälte und Coronamüdigkeit zusammenfinden, unter den Heizstrahlern einen Glühwein trinken, lachen und das Leben geniessen. Fragt sich nur, wie lange noch.

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