09.03.2020

Der unerwartete Kandidat

Martin Meier will Gemeindepräsident von Lutzenberg werden. Seine Kandidatur kam aus dem Nichts.

Von Astrid Zysset
aktualisiert am 03.11.2022
Astrid ZyssetEr ist der am wenigsten Bekannte im Bunde: Neben Gemeinderätin Maria Heine Zellweger und dem einstigen Kommunalpolitiker Andreas Tonner bewirbt sich auch Martin Meier um das Amt des Gemeindepräsidenten von Lutzenberg – die Wahl findet am 15. März statt. Meiers politische Vergangenheit liegt rund 30 Jahre zurück. Damals war er Stellvertreter im Grossen Rat in Graubünden. Heute zieht es ihn zurück auf das Politparkett, dieses Mal auf Gemeindeebene. Doch stark verwurzelt ist er in Lutzenberg noch nicht. Das sieht Meier aber als Vorteil. «Ich bin unbelastet. Vieles kann ich mit anderen Augen betrachten, was neue Sichtweisen ermöglicht», sagt er. Er lächelt. Was ihm an Vernetzung bislang fehlt, will er mit Sympathie wettmachen. Erfolgreich. Bislang seien die Reaktionen auf seine Kandidatur durchwegs positiv gewesen. Meier lädt zu Gesprächen mit der Bevölkerung, um sein Manko mit der Unbekanntheit abzubauen.Zusammen mit seiner Frau lebt der 61-Jährige in einem Haus im Weiler Hof. Vom Wohnzimmer aus eröffnet sich ein beeindruckendes Panorama über Thal und Rheineck. Hier in der heimischen Stube fühlt sich Martin Meier wohl, hierhin zieht er sich nach einem anstrengenden Arbeitstag zurück. Entspannende Stunden sind jedoch selten geworden. Das Handy klingelt ununterbrochen. Seine Kandidatur führte zu vielen Rückmeldungen. Meier freut sich über das zusätzliche Engagement: «Wenn ich etwas mache, dann richtig. Mit Herzblut, mit Leidenschaft, mit Feuer. Das gehört einfach dazu.» Politisch schon immer interessiert gewesenEr wolle dem Dorf etwas zurückgeben, sagt Meier auf die Fra-ge, warum er kandidiert. «Ich möchte etwas bewegen.» Die Zeit sei reif dafür. Er habe sich immerzu für das politische Geschehen interessiert und befinde sich nun in der Lage, beruflich etwas kürzerzutreten, um das Amt des Gemeindepräsidenten in den Alltag integrieren zu können. Das war vorher nicht möglich. Meier arbeitete jahrelang als Betriebsleiter bei den St. Galler Verkehrsbetrieben (VBSG). 280 Chauffeure unterstanden ihm. Einen reibungslosen Ablauf musste er tagein, tagaus gewährleisten. Mit 60 Jahren gab er die Führungsposition schliesslich ab. Seitdem arbeitet er als Assistent des neuen Betriebsleiters. «Die Verantwortung, 365 Tage im Jahr während 24 Stunden schultern zu müssen, wurde mir zu viel», erklärt Meier. Würde er als Gemeindepräsident gewählt, könnte Meier das Arbeitspensum bei den VBSG auf 60 Prozent senken; mit 40 Stellenprozenten ist die politische Führung Lutzenbergs veranschlagt. Allerdings hätte Meier in jenem Fall wiederum eine Stelle mit viel Verantwortung inne. Er sieht das jedoch gelassen. «Das wäre nicht im selben Ausmass wie vorher.» Zudem sehe er sich in erster Linie als Bindeglied zwischen Verwaltung und Bevölkerung.Grosse Herausforderungen stehen in der kleinen, 1200 Einwohner umfassenden Vorderländer Gemeinde nicht an. Meier würde es gerne sehen, wenn Lutzenberg «gesund» wächst und mehr Platz für Familien wie auch das Gewerbe bietet. Wie genau er das als Gemeindepräsident forcieren würde, weiss er allerdings noch nicht. Auch möchte er den Zank um das Asylzentrum Landegg in Zusammenarbeit mit dem Kanton beigelegt wissen und eine Optimierung des ÖV-Konzeptes erzielen, damit die einzelnen Weiler der Gemeinde besser mit dem Postauto erschlossen werden. Meier politisiert rechts-bürgerlich, am nächsten steht ihm die SVP. «Eine Partei, die deckungsgleich mit meinen Überzeugungen ist, gibt es aber nicht», sagt Meier achselzuckend. Er sei heimatverbunden, und ihm liegen Tierschutz wie auch ökologische Grundwerte sehr am Herzen.Immer mit Menschen gearbeitetSein Hintergrund ist vielfäl-tig: Neben der über 30-jährigen Erfahrung im Personalwesen, arbeitete Meier ehrenamtlich als Fussball-Schiedsrichter, Dirigent, Coach, Mitglied des Care-Teams AR/AI oder auch als Musikjuror. «Meine Materie war immer der Mensch.» In der Sozialkompetenz sieht er seine Begabung. «Sehen Sie sich um. In meinem Haus habe ich kein einziges Bild aufgehängt. Das musste meine Frau übernehmen, da ich handwerklich zu ungeschickt bin.» Aber Fingerspitzengefühl habe er. Das Führen von sachlichen, zielgerichteten Diskussionen liege ihm im Blut. Dort sieht er seine Stärken. Als Beispiel führt er eine Massenentlassung an, die er während seiner Tätigkeit bei einer Chemiefabrik in Buchs umsetzen musste. Alle der 40 Mitarbeitenden fanden innert zweier Jahre wieder eine Anstellung. Und mit vielen steht Meier noch immer in Kontakt. Auf den Wahlkampf freut sich Meier, obwohl er den Begriff «Kampf» nur ungern verwendet. «Ich hoffe auf gute Erfahrungen», sagt er. Und auf den Sieg? «Das wäre natürlich sehr schön. Ich will aber in erster Linie eine gute Leistung zeigen. Es ist wie in der Musik: Standing Ovations erwarte ich nie. Umso schöner, wenn sie dann aber kommen.»

Abo Aktion schliessen
News aus der Region?

Alle Geschichten, alle Bilder

... für nur 12 Franken im Monat oder 132 Franken im Jahr.