09.07.2020

Der unbekannte Hutter ist ein Duo

Ein Leserbriefschreiber hat die Redaktion übertölpelt. Sein Beitrag «Für dumm verkauft» hat es am 23. Juni unter falschem Namen ins Blatt geschafft. Sven Hutter aus Balgach ist nicht Sven Hutter aus Balgach. Das ist ärgerlich. Wer seine Meinung äussert, sollte auch zu dieser Meinung stehen.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Gert BrudererAnonyme Zuschriften bleiben generell unberücksichtigt. «Sven Hutter» aber hat nicht anonym seine Sichtweise dargelegt, sondern unter falschem Namen. Er hat die Redaktion mit seinem per Mail übermittelten Beitrag bewusst getäuscht. «Sven Hutter» hat unsere Zeitung missbraucht.Als Zweifel an der Identität des Textverfassers aufkamen und die Redaktion ihn um nähere Angaben zu seiner Person bat, entsprach «Sven Hutter» diesem Wunsch, indem er die Redaktion mit ausführlichen Informationen versorgte.Später stellte sich heraus: Alles erfunden! «Sven Hutter» hatte sich unverfroren eine – in sich stimmige – Geschichte zurechtgelegt.So etwas hat die Redaktion in zwanzig Jahren nicht erlebt. Mit seinem Vorgehen nahm «Sven Hutter» in Kauf, dass andere Personen (nicht nur solche namens Hutter) einem falschen Verdacht ausgesetzt wurden.Der Leserbriefschreiber nannte der Redaktion eine (im oberen Rheintal) tatsächlich existierende Adresse, an der eine Familie Hutter zu Hause ist, und meinte, es sei die Adresse seiner Familie und seines Geschäfts. Ausserdem sei er an einer Firma in Balgach beteiligt. Sein dortiger Geschäftspartner sei im STV Balgach engagiert. Weil sich im gleichen Verein auch Gemeindepräsidentschaftskandidat Reto Schmidheiny betätige, schrieb «Sven Hutter», könnte er mit seinen Meinungsäusserungen «seine Kollegen und Partner unglücklich» machen.Sie glauben nicht, wie kleinkariert Balgach manchmal ist!» fuhr er fort und schrieb, trotzdem sei Balgach «der Ort, in dem ich bald leben möchte».Sven sei sein zweiter Vorname, den er im Rahmen seiner Fotografie-Karriere («siehe Facebook», fügte er hinzu) zum Rufnahmen gemacht habe. Seine besten Kollegen wüssten dies. Aber nur sie.Statt sein Fehlverhalten zuzugeben und dazu zu stehen, kämpfte «Sven Hutter» um seine gefakte Identität, indem er ein fantasievolles Lügengebäude errichtete und regelrecht eine Zweitidentität erfand, mit separater E-Mail-Adresse und unter Verwendung einer passenden Facebook-Seite.Als die Angaben des Leserbriefschreibers als durchwegs falsch und das ganze Drumherum als unecht entlarvt waren und «Sven Hutter» sich aufgefordert sah, der Redaktion doch bitte endlich seine wahre Identität preiszugeben, teilte er mit: Nur der Nachname Hutter sei echt. Zudem erklärte er, er habe «sicherlich einen grossen Fehler gemacht» und entschuldige sich aufrichtig - beim Verlag, aber auch bei den Lesern sowie allen, die sich angegriffen gefühlt hätten.Das Problem dabei: Eine Entschuldigung ist nur etwas wert, wenn die Identität des Menschen, der sich entschuldigt, bekannt ist. Doch «Sven Hutter» verschwieg weiterhin seinen wahren Namen.Das Entschuldigungsmail des «Sven Hutter» erreichte die Redaktion am Freitag, 3. Juli. Er schrieb: «Ich muss mal schauen, wie ich es wiedergutmachen kann. Ab morgen bin ich die nächsten drei Wochen in den Ferien.»Er schrieb davon, in dieser Zeit «darüber nachzudenken».Tags darauf war «Sven Hutters» E-Mail-Adresse gelöscht.Doch die Geschichte war damit noch nicht zu Ende.Dank besonderer Umstände und einer Textanalyse durch die Redaktion kam diese dem Geheimnis letztes Wochenende auf die Spur. Sie war des Rätsels Lösung plötzlich nahe, und «Sven Hutter» gab sich einen Ruck, indem er sich bereit erklärte, das Geheimnis gegenüber der Redaktion doch noch zu lüften.Das Besondere an der Geschichte: «Sven Hutter» ist nicht nur eine Person. Es sind zwei. Der eine «Sven Hutter» hat den Leserbrief geschrieben, der andere «Sven Hutter» (der am Montagabend, mit dem Einverständnis des ersten «Sven Hutter» beichtete) versuchte die Identität des Leserbriefverfassers zu verschleiern, indem er mit falschen Angaben den Kontakt zur Redaktion pflegte.Schwer verzeihlich, keine Frage. Aber der Geschichte wohnt auch Komik und sogar ein bisschen Tragik inne. Man muss sich das vorstellen: Ein Paar reitet sich, geplagt von Gewissensbissen und daraus erwachsenen Spannungen, immer tiefer in eine zunehmend ausweglos erscheinende Situation hinein, obschon zu solcher Not im Grunde kein Anlass bestand. Die unter falschem Namen in dem Leserbrief geäusserte Kritik war scharf, aber inhaltlich unproblematisch. Der als Meinungsbeitrag sogar willkommene Text verstiess nicht gegen Anstandsregeln und war rechtlich einwandfrei. Die Angabe eines falschen Namens sowie die anschliessende ausgeklügelte Irreführung der Redaktion waren unerfreulich, sind aber strafrechtlich nicht von Belang.Die Redaktion hat den Beiden vor dem Geständnis Vertraulichkeit zugesichert. Denn die Nennung ihres Namens könnte Konsequenzen haben, die angesichts des Fehlverhaltens unverhältnismässig wären.Es soll sogar bereits gemunkelt worden sein, «Sven Hutter» könnte eine politisch einflussreiche Balgacherin oder ein politisch einflussreicher Balgacher sein, der aus dem Hinterhalt als Unbekannter scharfe Kritik unters Volk bringen wollte.Hier nun die Entwarnung: «Sven Hutter», der den Leserbrief verfasste (respektive: die den Leserbrief verfasste), ist eine politisch nicht aktive Privatperson ohne politische Ambition. Ehrenwort.

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