22.01.2020

Der Traum einer Siebenjährigen

Emily Metzler will als Eiskunstläuferin Karriere machen. Die Hindernisse auf dem Weg dorthin sind nicht nur sportlicher Natur.

Von Remo Zollinger
aktualisiert am 03.11.2022
«Ich habe noch eine Stunde, gell?», fragt die siebenjährige Emily ihre Mutter Katja Metzler in der Widnauer Eishalle. Die Mutter bejaht, Emily zieht vergnügt davon. Unter den Augen der Trainerin Claudia Aebischer legt sie auf Kufen ihre Spuren ins Eis, gleitet, springt, tanzt. Ihre Stilsicherheit beeindruckt ebenso wie die Gleichgültigkeit, mit der sie den einen oder anderen Hacker oder Sturz wegsteckt.«Ich weiss nicht, ob wir diesen Weg gegangen wären, hätte ich gewusst, was alles auf uns zukommt», sagt die Balgacherin Katja Metzler. Einen Weg zurück gebe es jetzt jedoch nicht mehr. Zu glücklich sieht Emily auf dem Eis aus, zu weit ist sie in ihrer Laufbahn jetzt schon.Die Erfolgsliste ist jetzt schon langDie Eiskunstläuferin misst sich an Wettkämpfen oft mit älteren Konkurrentinnen – und besiegt sie ebenso oft. Emily ist gemeinsam mit einer Baslerin (die sie auch besiegt hat) die jüngste Läuferin des Schweizer Eislaufverbands und hat beachtliche Fortschritte gemacht. Eigentlich war geplant, diesen Winter den Axel zu stehen, jetzt kann sie schon drei doppelte Sprünge.In der Saison 2019/20 stand Emily mehrfach auf der Stufe SEV Interbronze im Einsatz. Beim Montalin Cup und in Frauenfeld holte sie Rang zwei, den Glatttal Cup und den Pilatus Cup gewann sie. Diese Resultate belegen Emilys Talent – und stellen ihrer Trainerin ein gutes Zeugnis aus.Sanft, aber doch bestimmt gibt Claudia Aebischer in Widnau den Takt vor. Sie gibt Anweisungen, sagt Emily, an welchen Sprüngen sie feilen soll. Sie legt die Musik fürs Kürtraining auf und wirkt beim Beobachten von Emilys Läufen zufrieden.Claudia Aebischer ist im Eiskunstlauf ein grosser Name. Sie war 1986 Schweizer Meisterin, sie nahm an Europa- und Weltmeisterschaften teil. Ihre Stimme ist im Fernsehen zu hören, wenn sie bei Grossanlässen als Co-Kommentatorin wirkt. In ihre kleine Trainingsgruppe zu kommen ist nicht einfach, doch Emilys Talent ist unübersehbar – und will gefördert werden. Katja Metzlers Bedenken beziehen sich nicht auf Emilys Talent oder darauf, dass sie es nicht in den Leistungssport schaffen könnte. Um darüber zu urteilen, ist es ohnehin zu früh.Ernüchternde Resonanz bei der SponsorensucheEs geht darum, dass der Weg in den Leistungssport Geld kostet – viel Geld, mehrere Tausend Franken pro Jahr. Sportbekleidung oder Schlittschuhe sind ein Teil davon. Dazu kommen hohe Beträge fürs Training und die Eiszeit sowie die teils weiten Fahrten an Wettkämpfe.Eiskunstlauf ist teuer, weshalb Familie Metzler Sponsoren sucht. Sie hat ein Dossier erstellt, in dem Emilys bisherigen Erfolge, Zukunftspläne und Bedürfnisse aufgelistet sind. Das Dossier erläutert potenziellen Sponsoren, welche Gegenleistung sie für ihr finanzielles Engagement oder Sachleistungen erwarten dürfen. Es ist viel möglich, von klassischer Werbung mit Firmenlogos auf Trainingsjacken und Shirts bis zu modernem Marketing über Instagram.Über 100 Rheintaler Firmen haben das Dossier bekommen. Geantwortet haben wenige – zugesagt nur solche, die die Familie kennen. «Wir waren sehr enttäuscht. Unser Ziel war, dass die Firmen uns zuhören und erkennen, welche Erfolge und welches Potenzial Emily hat». Die Firmen sagten, sie hätten ihr Sponsoringbudget aufgebraucht. Sie unterstützen bereits regionale Vereine, in denen vielleicht Mitarbeiter sind oder wo der Werbeeffekt grösser ist als bei einem Mädchen, das erst auf dem Weg in die Karriere ist.Auch der Mittag ist für Emily TrainingszeitEmilys Weg ist noch lang, er fordert von der Zweitklässlerin viel. Ein Beispiel sind Trainings über den Mittag: Nach dem Morgen in der Schule geht’s für sie meistens aufs Eis, dann wieder in die Schule. Dies auch, weil es im Rheintal nur eine Eishalle gibt, die gut genutzt wird – vom Eislaufverein Mittelrheintal, von den Eishockeyspielern des SC Rheintal und der Öffentlichkeit. Es ist schwierig, eine Zeit zu finden, in der das Eis nicht zu gut belegt ist – am Mittag ist es möglich. Emily profitiert davon, wie sehr die Familie am gleichen Strang zieht: Die Siebenjährige hat zwei kleine Geschwister und ohne die gute Organisation der Eltern wären diese Trainingszeiten unmöglich.Zwei Nachmittage pro Woche hat Emily schul- und trainingsfrei. «Es ist mir sehr wichtig, dass sie Kind sein kann und nicht nur für den Sport lebt», sagt Katja Metzler. Leistungsdruck komme früh genug wieder – nächstes Mal beim SEV-Bronze-Test im März.

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