21.12.2020

«Der Tod kam völlig unerwartet»

2014 verlor Martina Schmid ihren Mann. Wie sie die Trauer überwand und die Freude zurückkehrte.

Von Benjamin Schmid
aktualisiert am 03.11.2022
Benjamin Schmid«Mir geht es heute wieder sehr gut», sagt Martina Schmid aus Lüchingen. Die Trauerarbeit sei seit einiger Zeit abgeschlossen und sie habe die Freude am Leben wieder zurückerhalten. Dafür hat sie lange gekämpft, hat sich ihrer Trauer gestellt und sie durchlebt.Vor sechs Jahren ertrank ihr Mann im Luganersee. «Der Tod kam völlig unerwartet», sagt die 35-Jährige, «es war, als würde alles um mich einstürzen.» Der Tod, der ihr auf diese Weise so nahe kam, erschreckte sie und machte ihr Angst. Immerhin hätten die Polizeitaucher ihren Mann gefunden und ihr so die Gelegenheit gegeben, sich von ihm zu verabschieden.Unendliche Leere, verbunden mit Angst«Die Dinge, an denen ich mich sonst immer erfreute, lösten nichts mehr aus in mir», sagt die Sozialarbeiterin. Das hatte nichts mit Traurigkeit zu tun. «Die Trauer traf mich derart wuchtig, dass sie Besitz von mir nahm und jegliche wohltuenden, schönen oder positiven Gefühle löschte.» Es habe sich angefühlt wie wenn die Furcht ständig im Nacken sitzt. Unendliche Leere und Dunkelheit, verbunden mit Angst.Es kam vor, dass sie draussen auf der Strasse von einem Gefühl des Unvermögens, der Schwere und Traurigkeit überfallen wurde und sie wieder nach Hause musste. «Ich war der Trauer völlig ausgeliefert», sagt Martina Schmid.Bald nach dem Tod suchte sie die Kirchgemeinde auf und fragte nach einer Gesprächspartnerin, die sie regelmässig treffen und mit der sie über alles reden könne. «Ich war dort so gut aufgehoben», sagt die Witwe, «diese Gespräche waren für mich ein Anker. Sie haben mich über lange Zeit getragen, ermutigt und gestärkt».Zu merken, dass man nicht allein istNachdem sie drei Monate krankgeschrieben war, begann sie wieder zu arbeiten. Nach einem halben Jahr stiess sie zum Verein Aurora, eine Kontaktstelle für Verwitwete mit minderjährigen Kindern. Bei den Regionaltreffen konnte sie sich mit anderen verwitweten Müttern und Vätern austauschen. «Das tat wahnsinnig gut und war eine enorme Stütze», sagt die 35-jährige Mutter. «Zu merken, man ist nicht allein, es gibt noch andere, die wissen, von was ich rede, war Balsam für meine Seele.»Unterstützung erfuhr Martina Schmid auch von ihrer Familie und Freunden. Ohne sie wäre der Weg wohl unerträglich, einsam und kaum zu meistern gewesen. Sie fand Trost in der Musik, aber auch im Glauben und bei Begegnungen mit Menschen. «Ich gestand mir immer zu, dass ich traurig sein darf. Ich suchte Momente, wo ich meinen Tränen freien Lauf lassen konnte und mein Zustand einfach so war. Dadurch fand ich Schritt für Schritt aus der Trauer heraus», sagt die Sozialarbeiterin. Sie verbrachte viel Zeit in der Natur. Bis heute begleitet sie ihr Sohn Elias bei Wanderungen. Diese gemeinsamen Stunden geniessen beide, und sie tun ihnen gut.Keine bewussten Erinnerungen«Elias war anderthalb Jahre alt, als sein Papi starb», sagt Martina Schmid. Zu sehen, dass der Sohn seinen Vater verliert und nie einen leiblichen Papi haben wird, sei extrem schmerzhaft und es mache nicht nur sie traurig. Immer wieder sei der Vater Thema in ihren Gesprächen, und dann stelle sie fest, dass Elias ihn vermisst. Des Öftern fallen dann Sätze wie: «Hätte ich doch wenigstens einige Zeit mit meinem Papi verbringen können, dann wüsste ich, wie er war.»«Ich denke im Alltag oft an ihn», sagt die 35-Jährige, «er war meine erste Liebe und ich war hin und weg von ihm.» Mittlerweile wünscht sie sich wieder eine Beziehung, lässt es aber auf sich zukommen. Trotz herausforderndem Alltag findet sie die Balance zwischen Arbeit und Erziehung immer besser. «Nach schwierigen Jahren haben wir gefunden, was für uns passt», sagt Martina Schmid, «und nur das zählt.» HinweisMartina Schmid und Autor Benjamin Schmid sind nicht verwandt.

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