Monika von der LindenDer Mann mit der Baskenmütze auf dem Bild rechts heisst Markus Buschor. Er hat noch mehrere markante Erkennungszeichen: In seiner Nähe befinden sich mindestens ein Baumstamm und eine Motorsäge. Jene Utensilien benötigt er bei all seinen Projekten. Den Bildhauer aus Altstätten bemerkt man auch dann, wenn er selbst nicht zugegen ist. Sieht man irgendwo im Rheintal eine seiner Holzskulpturen, erahnt man ihre Herkunft anhand der typischen Machart. Die von Markus Buschor aus Holz herausgearbeiteten Figuren fügen sich wie ein Gspänli in ihre jeweilige Umgebung ein.Der Bildhauer wird zum BaumeisterMächtige und altehrwürdige Baumstämme warteten einige Jahre lang im Oberrieter Felbenmaad auf ihre Bestimmung. Der in der Halle eingebaute Kran erlaubt es dem Bildhauer, neu auch grössere Lasten zu bewegen und Baumstämme in einem Stück zu verarbeiten. Markus Buschor fand Gefallen daran, auch zu bauen. Vor etwa sieben Jahren begann er, den «Raum der Stille» zu fertigen. «Es ist ein Kunstraum, der wohl kein Gesicht trägt, aber der Seele seinen Raum gibt», sagt Markus Buschor. Er will einen Ort schaffen, der Hektik und Oberflächlichkeit vergessen lässt, und eine innere Schau ermöglicht.Der Bildhauer holte seine Motorsäge hervor und verarbeitete fortan Stamm um Stamm zu Flecklingen. So nennt man die 25 Zentimeter breiten Balken in unterschiedlicher Höhe, aus denen er die Wände zusammensteckt. Alle Verbindungsstücke, wie zum Beispiel liegende Schwalbenschwänze, sägte Markus Buschor aus den Stämmen heraus. Der Motorsägenschnitt gibt der Oberfläche eine individuelle Textur. Sie nimmt die natürliche Form des Holzes auf. Keine der fast ausnahmslos horizontalen Linien gleicht der anderen. Rechte Winkel sucht man vergeblich. «Das ergibt ein ungekanntes Raumgefühl», sagt Markus Buschor. Dazu trägt auch der Grundriss mit seinen harmonischen Proportionen bei. «Er spiegelt, was wir empfinden. Im Raum soll Frieden sein», sagt Markus Buschor. «Hier ist ein Ort, wo man ruhig werden und zu sich selbst finden kann, an nichts denken muss und über die Frage sinnieren kann, was wichtig ist.» Indirektes Licht fällt auf das einzige vertikale Element des Raums. Der mächtige Mittelstamm zieht alle Blicke auf sich. Er besteht aus einem 330-jährigen Baum. Im oberen Drittel hat der Bildhauer einen Spruch des deutsch-schweizerischen Dichters Hermann Hesse eingemeisselt: «Alle Natur, alles Wachstum, aller Friede, alles Gedeihen und Schöne in der Welt beruht auf Zeit, braucht Stille, braucht Vertrauen.» Der Holzkenner gewährt der Schreiberin schliesslich einen Blick aufs Kunstwerk, wie es ihn künftig nicht mehr gibt: Sie schaut von oben in den Raum hinein – noch fehlt das Schindeldach. Die Perspektive führt zu einem Aha-Effekt. Der «Raum der Stille» erinnert an die Arche Noah. Das mag ein Grund für das Wohlbehagen sein, das man im Inneren empfindet.Der «Raum der Stille» ist das grösste Kunstprojekt des Bildhauers. Das gilt für das Volumen wie die Zeitspanne. «Sieben Jahre lang war mir das Projekt stets präsent.» Als grösste Herausforderung bezeichnet es Buschor, einen geeigneten Standort zu finden. Als die Zeit reif war, ergab sich alles recht schnell: Der Diepoldsauer Jonny Hutter besucht Markus Buschor regelmässig in der Halle. «Er schaute mir immer wieder bei der Arbeit zu und beobachtete, wie der Raum Gestalt annahm.»Hutter vermittelte schliesslich zwischen dem Bildhauer und der Gemeinde Diepoldsau. «Innert kürzester Zeit stand der Gemeinderat bei mir in der Halle und schaute sich mein Werk an.» Alle Beteiligten einigten sich auf einen Platz beim Zen- trum Rheinauen. Jonny Hutter und Familie treten bei dem Vorhaben als Mäzene auf.Die Eröffnung ist im Juli geplantÜber die Wintermonate wird Markus Buschor den Kunstraum fertigstellen und ihn für den Transport vorbereiten. Zur Eröffnung des Erweiterungsbaus des Zentrums Rheinauen, die im Juli nächsten Jahres vorgesehen ist, wird der «Raum der Stille» im Südosten des Neubaus errichtet und für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Er wird über einen neuen Weg von der Heimstrasse in Richtung Vita-Parcours erschlossen. «Ich bette ihn in die Landschaft ein – inmitten einer Blumenwiese und Baumgruppe», sagt Markus Buschor. Sich an diese Form der Holzverarbeitung herangewagt zu haben, war wohl richtig. «Sie fasziniert mich. Ich will mehr bauen.»