21.01.2020

Der schwere Stand der Dorfbeiz

Das «Rössli» St. Margrethen zu retten, war 2015 ein Dorfprojekt. Der Betrieb läuft. Doch die Pächterin ist unter Druck.

Von Hildegard Bickel
aktualisiert am 03.11.2022
Die Mittagsgäste haben sich verabschiedet. Es ist früher Nachmittag und einzelne Kaffeetrinker und eine Jassgruppe mit vier Frauen sitzen an den Tischen in der gemütlichen Gaststube. Bedient werden sie von Marianne Engler. Sie ist seit der Wiedereröffnung des Restaurants im November 2017 Pächterin. «Mit Herzblut», sagt sie. Doch das Wirten sei nicht einfach.Der Umsatz ist gering, die Kosten übersteigen die Einnahmen. Am Montag servierte sie vier Mittagsmenüs, am Dienstag acht, zufriedenstellend wäre der Umsatz ab zehn am Tag. Finanziell gerät sie in Verzug mit offenen Rechnungen. Die Situation nagt an ihr. Sie kann sich selber seit mehreren Monaten keinen Lohn mehr auszahlen. Der Pachtvertrag von Marianne Engler läuft bis Oktober. Was danach geschieht, lässt sie offen.Dass es schwierig ist, Restaurants rentabel zu führen, ist nicht neu und betrifft auch andere Adressen in der Region. Die Schilderungen von Marianne Engler hört Rolf Hanselmann, Vorstandsmitglied der Genossenschaft, die das «Rössli» verpachtet, jedoch zum ersten Mal. «Die Mietzahlungen gegenüber der Genossenschaft sind bisher anstandslos eingegangen. Wir hatten keinen Grund zu intervenieren», sagt er bei einer Lagebesprechung im Restaurant. Gleichzeitig anerkennt er Handlungsbedarf. «Wir müssen über die Bücher.»Zweifel aus dem Weg räumenEin Beitrag zum Thema Beizensterben, der auf Facebook kursiert, warf im Dorf Fragen auf. Marianne Engler sprach darin stellvertretend für zahlreiche andere Wirte, die ebenfalls zu kämpfen haben. Von einer Schliessung des «Rössli» war aber nicht die Rede, obwohl das manche so verstanden. Rolf Hanselmann betont entsprechend vehement: «Das ‹Rössli› schliesst nicht.» Jacqueline Stäbler, Präsidentin des Genossenschaftsvorstands, ergänzt: «Das ‹Rössli› soll bestehen bleiben. Das ist unser oberstes Ziel, dafür setzen wir uns im Vorstand ein.»Es sei der Wunsch und Wille der Bevölkerung, ein Restaurant wie das «Rössli» im Dorf zu haben. Das bestätigte die breite Unterstützung, als 2015 die Genossenschaft gegründet wurde. Gleichzeitig ist sich Jacqueline Stäbler der Probleme der Wirte bewusst. «Zeitgeist und Generationenwechsel sind Gründe, weshalb nicht mehr so häufig eingekehrt wird.»Auch das Rauchverbot würde dazu beitragen, dass Gäste fernbleiben, sagt Marianne Engler. Seitdem sie im Beitrag ihren Wunsch nach mehr Gästen äusserte – ein versteckter Hilferuf – erhielt sie bestätigende Rückmeldungen. «Wenn wir das ‹Rössli› wollen, müssen wir auch vorbeikommen», sagten ihr Gäste aus dem Dorf, die das Restaurant vermehrt nutzen möchten. Gemäss Rolf Hanselmann sollen Gespräche mit der Pächterin und dem Genossenschaftsvorstand folgen. «Wenn wir Signale erhalten, sind wir bereit, Unterstützung zu bieten, im Rahmen unserer Möglichkeiten.»Vorwärts schauen undan Bewährtem festhaltenUnterdessen bleibt Marianne Engler zuversichtlich. Sie ist wie gewohnt mit ihrem Personal, einer Köchin und einer Aushilfe, von Montag bis Freitag für die Gäste da. Der beliebte, währschafte Käsfladen ist im «Rössli» fester Bestandteil der Speisekarte, die ein täglich wechselndes Mittagsmenü bietet. Zudem plant Marianne Engler mit ihrer Köchin im Februar einen Anlass mit speziellen Menüs. Scharf soll es werden.

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