Christoph Rohner*Eine Zeitung, die «Der Rheintaler» heisst, gibt es seit Juli 1870. Aber das ist nicht alles. Unser «Rheintaler» hatte Vorläufer: Zwischen 1836 und 1842 folgten sich in Altstätten deren drei. Ab dem 5. Januar 1843 bis zum 1. Oktober 1846 erschien dann bei J. Ritter in Altstätten das Wochenblatt «Rheinthaler Bote». Redaktor war der legendäre Karl Völker, ein kämpferischer deutscher Republikaner, der um 1813/14 noch an den Befreiungskriegen gegen Napoleon teilgenommen hatte und sich dann auf Schloss Heerbrugg niederliess. Nach ihm ist in Heerbrugg eine Strasse benannt.Im Oktober 1846 wurde dieser «Bote» mit dem Sarganser «Oberländer Wächter» zusammengelegt und ab dem 8. Oktober 1846 unter dem Namen «Der Bote am Rhein» von Rudolf Unteregger in Altstätten herausgegeben und gedruckt. Redaktor war zeitweise wiederum Karl Völker.Im Juli 1870 wechselten Redaktion und Druckerei, und der «Bote» wurde unter dem neuen Namen «Der Rheinthaler», aber weiterhin in Altstätten fortgeführt.
Daher zählt der «Rheintaler» seine Jahrgänge nicht ab 1870, sondern vom «Boten am Rhein» her ab 1846. Er ist damit die älteste Zeitung des St. Galler Rheintals.Politische Grosswetterlage in der FrühzeitIm 19. Jahrhundert – und darüber hinaus – herrschte ein scharfer Gegensatz zwischen Freisinnigen und Konservativen. Hauptstreitpunkte waren namentlich die Bundesreform, das Verhältnis von Staat und Kirche und das Schulwesen.«Der Rheintaler» war zunächst wie seine Vorläufer ein radikalliberales Meinungsblatt, das seine politischen Botschaften kraftvoll und vielfach mit einer polemischen Schärfe verfocht, über die wir heute staunen. Der Kampf um die Bundesreform gipfelte schliesslich im Sonderbundskrieg von 1847. Redaktor Karl Völker schloss sich, mit über 50 Jahren, dem Feldzug gegen den Sonderbund an. Er berichtete für den «Boten am Rhein» direkt von der Front; einige Artikel soll er auf seiner Patronentasche als Unterlage verfasst haben.Ideeller Gegenspieler im OberrheintalDer «Rheintaler» war lange die einzige politische Zeitung im Oberrheintal. 1893 «outete» sich der seit 1855 ebenfalls im Hause Unteregger als unpolitisches Anzeigenblatt herausgegebene, 1872 von einer Gruppe konservativ gesinnter Bürger übernommene «Rheinthalische Allgemeine Anzeiger» ebenfalls als Meinungsblatt und als ideeller Gegenspieler des «Rheintalers».1904 wurde er in «Rheintalische Volkszeitung» umbenannt.Die beiden Titel blieben bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts politische Antagonisten.Noch mehr Konkurrenz im Mittel- und UnterrheintalIm Mittelrheintal entstanden 1886 der ebenfalls freisinnige «St. Galler Rheinbote» (Berneck, später Heerbrugg) und 1917 der konservative «Rheintaler Volksfreund» (Au).
Nördlich des Monsteins bestanden ebenfalls freisinnige Zeitungen; in Rheineck seit 1860 (ab 1871 unter dem Namen «Allgemeiner Anzeiger», und in St. Margrethen der Wächter am Rhein», der ab 1915 zur Nebenausgabe des Rheinecker «Allgemeinen Anzeigers» wurde.Erste Konzentrationsbewegungen um die Jahrhundertmitte«Der Rheintaler» übernahm 1946 den «St. Galler Rheinboten» und erschien neu in Heerbrugg, seit dem Jahr 1997 in Berneck. 1964 kam der Rheinecker «Allgemeine Anzeiger» samt dem «Wächter am Rhein» hinzu. Sie erschienen bis Ende 1982 als Kopfblätter des «Rheintalers» und wurden dann in diesen integriert.
Der «Rheintaler Volksfreund» wurde 1965 an die «Ostschweiz» verkauft und in der Folge als Regionalausgabe unter deren Namen herausgegeben. Die «Rheintalische Volkszeitung» arbeitete in begrenztem Umfang mit der «Ostschweiz» zusammen, blieb aber unabhängig.Die politischen Gegensätze ebbten nach 1970 abAnfangs der Siebzigerjahre des 20. Jahrhunderts – nicht zuletzt mit der flächendeckenden Einführung der konfessionsneutralen Staatsschule - glätteten sich die ideellen Gegensätze zwischen CVP und FDP und damit auch zwischen «Rheintaler» und «Rheintalischer Volkszeitung». Was noch einige Jahrzehnte fortdauerte, war der Konkurrenzkampf der hinter den Zeitungen stehenden Verlags- und Druckereibetriebe um Leser, Abonnenten und Druckaufträge.Eine 1993 versuchte Fusion der beiden Gesellschaften scheiterte.1997: Grosser Umbruch der Ostschweizer PresselandschaftDie Ostschweizer Presselandschaft bestand – nebst den überregionalen Objekten «St. Galler Tagblatt» und «Ostschweiz» - lange Zeit aus vielen kleinen Regionalzeitungen, die auf verschiedenen Ebenen zusammenarbeiteten.1997 gelang es dem «Tagblatt», den Flawiler «Volksfreund» aus seiner Inseratekooperation mit der «Ostschweiz» und der «Appenzeller Zeitung» herauszulösen. Dies brachte die übrigen Partner in Schwierigkeiten. Die «Appenzeller Zeitung» und die «Ostschweiz» wurden vom «Tagblatt» übernommen; letztere wurde eingestellt.Der «Rheintaler» entschied sich in dieser Situation für eine redaktionelle Zusammenarbeit auf Vertragsbasis mit dem «Tagblatt». Er erscheint daher heute mit dessen Mantel als Vollzeitung mit ausgebautem Ausland-, Inland- und Wirtschaftsteil, wird beim «Tagblatt» gedruckt, blieb aber unternehmerisch und kapitalmässig unabhängig.«Rheintaler» und «Volkszeitung» fusionieren – Galledia entstehtDie Pressekonzentration und der zunehmende Schwund der Inserateeinnahmen bewogen die Verlage des «Rheintalers» und der «Rheintalischen Volkszeitung» 2010 zur Gründung einer gemeinsamen Verlagsgesellschaft zur Herausgabe beider Zeitungen.Der «Rheintaler» erschien weiterhin im «Tagblatt»-Mantel, die «Rheintalischen Volkszeitung» als Blatt mit regionalem Schwerpunkt.
Der unter gemeinsamer Redaktion stehende regionale Text- und Inserateteil beider Titel ist praktisch identisch. 2014 folgte die vollständige Fusion der Betriebe zur «Rheintal Medien AG»; heute «Galledia Group AG», die ihre beiden Zeitungen in ihrer Tochtergesellschaft «Galledia Regionalmedien AG» herausgibt.Zu den gedruckten Ausgaben tritt heute ein ausgebautes publizistisches Online-Portal hinzu.rheintaler.ch* Christoph Rohner ist Verwaltungsrat der Galledia Group AG und war von 1990 bis 2014 Verwaltungsratspräsident der Rheintaler Druckerei und Verlag AG. 150 Jahre & 175 JahreDie Galledia Regionalmedien feiern mit ihrer Tageszeitung «Der Rheintaler» in zwei Jahren hintereinander jeweils ein Jubiläum. Diesen Juli geht es um 150 Jahre, nächstes Jahr um 175. Was wie ein unmöglicher Zeitsprung anmutet, ist natürlich leicht erklärbar. 150-jährig ist der Zeitungstitel. Seit 1870 trägt der «Rheintaler» seinen Namen.Die Zeitung mit ihren Vorläufern ist jedoch ein Vierteljahrhundert älter. Das heisst, dass sich im nächsten Jahr ein noch bedeutsameres Jubiläum als in diesem Monat feiern lässt – das 175-jährige Bestehen der Tageszeitung «Der Rheintaler». (red)