18.10.2022

Der Quantensprung

Der 27-jährige Rheinecker Simon Vitzthum stellt an den Bahn-Weltmeisterschaften bei Paris einen Schweizer Rekord in der Einzelverfolgung auf.

Von Daniel Good
aktualisiert am 02.11.2022
4:07,326 Minuten mit stehendem Start: So schnell durchmass noch kein Schweizer die vier Kilometer auf der Bahn – auch nicht Stefan Küng, der Weltmeister von 2015, oder Stefan Bissegger, der ehemalige Juniorenweltmeister. Es ist mit Simon Vitzthum vielmehr ein früherer Mountainbiker aus Rheineck, der vergangene Woche an der Bahn-WM in St-Quentin-en-Yvelines bei Paris mit einem Exploit aufwartete. Die Leistung Vitzthums erstaunt umso mehr, weil er im vergangenen Jahr zehn Sekunden länger brauchte für die 4000 Meter. Aber in zwei Wochen inklusive WM bewerkstelligte er einen Quantensprung. Zunächst 4:14 Minuten, dann 4:10 und auf der Olympiabahn nun der Schweizer Rekord, der ihm den fünften WM-Rang eintrug. Eine Verbesserung von sieben Sekunden in nur 14 Tagen. Damit hätte auch der Rennfahrer nicht gerechnet. Der Fahrplan an der WM sah vor, dass er in 4:10,2 Minuten im Ziel sein sollte. «Mit so einer Zeit wäre ich schon zufrieden gewesen. Ist ja auch schnell», sagt Vitzthum.Das Startfurioso auf der Olympiabahn von 2024Aber er wuchs über sich hinaus. Er startete schnell, «weil ich mich das vom Mountainbike her gewohnt bin und ich es verkraften kann». Ohnehin habe er gepokert. «Entweder verjagt es mich. Oder ich komme durch.» Auf den letzten Runden war Vitzthum zwar nicht mehr so schnell, «aber eingebrochen bin ich zum Glück nicht». Da sollte in Zukunft noch einiges möglich sein. Wenn sich Vitzthum nochmals um sieben Sekunden verbessert, ist er nahe am Weltrekord. «Wie weit ich mich noch steigern kann, weiss ich natürlich nicht. Aber ich denke, es ist sicher noch einiges möglich. Es sollte ja keine Stagnation eintreten nach solchen Fortschritten.»Der 27-jährige Vitzthum ist noch kein Routinier auf der Bahn. Im vergangenen Jahr startete er zwar schon an der WM, stand aber bloss einmal im Einsatz. «So kann man schon sagen, dass Paris meine erste richtige WM war.» Vitzthum beteiligte sich in diesem Jahr auch am Omnium, einem Mehrkampf, den er auf dem ordentlich achten Rang abschloss. «Es war ein hohes Niveau und sehr eng. Da mag es fast keine Fehler leiden.»Der Wermutstropfen in der MannschaftsverfolgungVitzthum bestritt mit dem Vierer auch die wichtigste Disziplin an der WM. In der Mannschaftsverfolgung blieben die Schweizer mit dem zehnten Platz aber unter den Erwartungen, nachdem sie an der WM vor einem Jahr in Roubaix den fünften Rang belegt hatten. «Die Zeit war einigermassen in Ordnung, aber natürlich hat man sich mehr ausgerechnet», sagt der Rekordhalter. 3:53,532 Minuten benötigte das Schweizer Quartett, zu dem neben Vitzthum auch die beiden Thurgauer Alex Vogel und Claudio Imhof gehörten. «Viele Mannschaften fuhren 3:51 und 3:52. Wären wir nur dreiviertel Sekunden schneller gewesen, hätte alles viel besser ausgeschaut», so Vitzthum. Simon Vitzthum ist die Welt-Nr. 1Nach den Weltmeisterschaften in Saint-Quentin-en-Yvelines (Frankreich) hat der Weltverband UCI gestern die Weltranglisten in den einzelnen Disziplinen aktualisiert. Eine schöne Entdeckung macht dabei der 27-jährige Simon Vitzthum: Der Rheinecker führt neu das interkontinentale Ranking in der 4-Kilometer-Einzelverfolgung an und im Omnium rangiert er hinter dem Japaner Shunsuke Imamura auf dem zweiten Rang.«Die Weltrangliste hat im Bahnradsport nicht denselben Stellenwert wie im Mountainbike. Die Klassierungen in der Verfolgung und im Omnium sind aber eine Bestätigung meiner konstanten Saison auf hohem Niveau», freut sich Vitztzhum.Der fühere Mountainbiker bestreitet erst seine vierte Saison auf der Bahn, der Disziplinen-Umsteiger gehört mit dem Arboner Claudio Imhof, dem erfolgreichsten Schweizer Bahnfahrer der letzten Jahre, zum lokalen Team Bischibikes-Tobler Racing. An der WM überzeugte er mit den Rängen 5 (Verfolgung) und 8 (Omnium). Während der Saison feierte Vitzthum fünf Schweizer Meistertitel auf der Bahn, auf der Strasse war er im traditionsreichen Eintagesrennen siegreich und an der Tour de Suisse fiel er durch eine offensive Fahrweise auf.Nach der anstrengenden Saison und dem harten WM-Programm lässt es Vitzthum in den nächsten Wochen ruhiger angehen. Er wird im November und Dezember noch zwei kleinere Bahnrennen bestreiten, sich aber primär auf das nächste Jahr vorbereiten: Vom 8. bis 12. Februar beginnt an der EM in Grenchen die Quali für die Olympischen Spiele 2024 in Paris. (ys)

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