Wo früher Mary Poppins mit ihrem Regenschirm durch die Kinderzimmer schwebte, wirbelt heute immer öfter eine männliche Nanny oder, anders ausgedrückt, ein Manny durch das Haus. Viele Familien wünschen sich explizit einen Betreuer, der als grosser Bruder oder als männliche Bezugsperson fungiert. Und doch sind laut dem schweizerischen Verband für Kinderbetreuung (kibesuisse) männliche Kinderbetreuer noch in der Minderheit. Nur acht Prozent des Personals in der familien- und schulergänzenden Kinderbetreuung in der Schweiz sind Männer. Im Vorschulbereich sind es noch weniger. Die Gründe basieren oft auf Vorurteilen: Als Manny seien vermeintlich «weibliche» Aufgaben auszuführen, es besteht der Generalverdacht des sexuellen Missbrauchs und es könn-ten mögliche Konflikte in geschlechtergemischten Teams aufkommen.
Der 17-jährige Cedric Wüst aus Rebstein arbeitet seit einem halben Jahr als Kinderbetreuer in einer siebenköpfigen Familie und hilft bei der Betreuung von Kindern im Alter von zwei bis elf Jahren. Im Interview erzählt er, warum er sich für diese Aufgabe entschieden hat, wie sein Umfeld reagiert und wie seine Zukunftspläne aussehen.
Fünf Kinder betreuen – das kann sicherlich auch mal hektisch werden.
Cedric: Das kann vorkommen. Vor allem die trotzigen Phasen der zweijährigen Zwillinge sind anstrengend. Aber meine Chefin und ich sind ein gut eingespieltes Team, sodass es ganz gut funktioniert.
Du bekommst also Unterstützung?
Meine Chefin hat genau so viel zu tun. Die Leute denken oft, sie ist nicht da und ich mache alles. Aber das ist nicht so. Wenn ich mich um die Kinder kümmere, macht sie die Wäsche. Wenn ich den Boden aufwische, spielt sie mit den Kindern. Wir gehen zusammen einkaufen und sie gibt mir Tipps.
Was gehört noch zu deinem Aufgabenbereich?
Ich kümmere mich hauptsächlich um die zweijährigen Zwillinge und helfe den älteren Kindern manchmal bei den Hausaufgaben. Ich packe auch im Haushalt mit an, staubsauge, hänge die Wäsche auf und putze die Fenster. Ich helfe auch im Garten und koche. Im Herbst haben wir zum Beispiel unser eigenes Apfelmus gemacht.
Wie wird man zu einem Manny?
Dieses Modell ist den meisten Menschen nicht so geläufig. Ich absolviere ein einjähriges Familienpraktikum und besuche die Vorlehre. Ich arbeite vier Tage in der Woche achteinhalb Stunden in der Familie und habe freitags Schule. Dort behandeln wir Stoff im Bereich Gesundheit und Soziales, Deutsch, Mathe und was später in der Ausbildung gefordert wird.
Warum hast du dich für diesen Beruf entschieden?
Ich weiss, dass ich in den sozialen Bereich gehöre. Seit ich in einer Kindertagesstätte geschnuppert habe, wollte ich diesen Beruf erlernen. Leider waren alle Lehrstellen vergeben, also empfahl mir mein Berufsberater ein Praktikum.
War dieser Weg die richtige Wahl für dich?
Auf jeden Fall. Die Arbeit mit den Kindern gefällt mir sehr gut und es ist genau das, was ich machen möchte. Ich habe bisher mehr gelernt, als ich anfangs gedacht habe. Von der Entwöhnung der Babys vom Nuggi oder der Schoppenflasche bis zum Töpfchentraining war alles dabei. Das Praktikum ist eine grosse Hilfe und eine super Vorbereitung, wenn man später in einer Kindertagesstätte arbeiten möchte.
Hast du mit Vorurteilen zu kämpfen?
Ich habe von Verwandten und Freunden nur Positives gehört. Bisher hat sich nie jemand negativ geäussert. Eine Bekannte sagte sogar in einem Gespräch, dass sie es toll findet, dass ein Junge diesen Beruf ausübt.
Bringt es gar Vorzüge, ein Junge zu sein?
Gewiss. Als Junge bringt man andere Sichtweisen ein und entgegen der weit verbreiteten Meinung, können Kinder auch eine enge Bindung zu männlichen Betreuern aufbauen. Das ist bei mir und den Zwillingen der Fall. Sie sind mir sehr ans Herz gewachsen und ich werde sie bestimmt vermissen, wenn mein Praktikum vorbei ist.
Du hast also eine Nachfolgelösung gefunden?
Ja, im Sommer werde ich eine Ausbildung zum Fachmann Betreuung in einer Kindertagesstätte beginnen. Dank der Erfahrungen im Praktikum kann ich mir vorstellen, diesen Beruf bis zu meiner Pensionierung auszuüben.