Monika von der LindenKarl Hardegger aus Gams ist seit 1983 Musiklehrer an der Kantonsschule Heerbrugg. Er unterrichtet Schüler einzeln an Orgel und Klavier oder im Klassenverband. Bis zur Auflösung des Lehrerseminars leitete er den Seminarchor. Aus ihm erwuchs der Kantichor. Im Sommer geht Karl Hardegger in Pension. Dann blickt er auf fünf Musical-Produktionen zurück. Alle hat er musikalisch geleitet. «Carrie» hat nächste Woche Premiere.
Mehr als drei Jahrzehnte lang unterrichteten Sie Kantonsschüler. Akzeptierten diese anfangs eher klassische Musik als heute?Karl Hardegger: Die Musikstile haben sich an der Schule verändert. Aber auch früher hatten die Schüler schon den Wunsch, moderne Musik zu spielen. Meine Linie war stets, verschiedene Stile zu lehren. Die Chöre habe ich immer auch klassische Werke singen lassen.
Sehen Sie klassische Musik als eine Grundlage anderer Musikrichtungen an?
In der technischen Ausbildung kommt man um die Klassik nicht herum. Erlernt ein Kind zum Beispiel nur das Keyboard, landet es irgendwann in einer Sackgasse. Lernt es aber Klavier spielen, eröffnet sich ihm ein grosses Spektrum – bis hin zur Orgel.
Akzeptieren die Schüler dieses Argument?
Stelle ich das Programm eines Weihnachtskonzertes mit klassischen Werken vor, rümpfen manche Schüler zunächst die Nase. Sie werden im Unterricht schnell ungeduldig. Meine Kunst ist es, sie bei der Stange zu halten. Gelingt die Aufführung, sind die meisten Schüler doch stolz. Oder erst später. Kommen sie noch einmal mit einem Stück in Berührung, erinnern sie sich, es an der Kanti gespielt oder gesungen zu haben.
Letztes Jahr gaben Sie nach mehr als zwanzig Jahren die Leitung der Rheintalischen Singgemeinschaft ab. Warum haben Sie beide Chöre zusammengeführt?
An traditionellen Weihnachtskonzerten führten wir klassische Literatur auf wie das «Dettinger Te Deum», das «Oratorio de Noël» oder die «Ryba Messe». Wir sangen auch Gospel, so wurde ich dem Wunsch nach moderner Musik gerecht. Beide Chöre lernten voneinander.
Inwiefern?
Die Jungen profitierten von der Stimmsicherheit der Älteren, die Erwachsenen vom Klang der jungen Stimmen. 15-Jährige sangen mit 87-Jährigen. Zu Spitzenzeiten standen 110 Sänger auf der Bühne.
Wird das Projekt nach Ihrem Ausscheiden fortgesetzt?
Im Moment sieht es nicht so aus, obwohl ich es mir wünsche.
Bald feiern Sie mit dem Ensemble die Premiere von «Carrie»? Schwimmen Sie mit auf der Musical-Welle?
Anfang der Neunzigerjahre führten wir «Jesus Christ» auf. Das war im Kanton eine Pionierleistung. In der ganzen Ostschweiz gab es noch keine Musicals. Theo Scherrer leitete damals die Theatergruppe. Wir entwickelten die Idee, sein Theater und meine Musik zu verknüpfen. Es folgten «West Side Story», «My Fair Lady», «Little Shop of Horrors» und nun «Carrie». Es zeigt, dass wir Musiklehrer offen sind für unterschiedliche Musikstile.
Die Frage nach der Akzeptanz der Schüler stellt sich wohl kaum?
Das stimmt. Und inhaltlich wie musikalisch vermeiden wir Banalitäten. Stets wird ein Feuer bei allen Beteiligten entfacht. Von der ersten Probe bis zur letzten Aufführung sind Darsteller, Sänger, Vocal-Coach, Band, Tänzer, Bühnenbildner, Regie und Technik engagiert und begeistert. Sie werfen sich ins Zeug. Das Projekt hinterlässt einen solch guten Eindruck, dass Ehemalige oft eine Aufführung besuchen.
Die Singgemeinschaft hat einen Stamm. In der Kanti wechselt das Schülerensemble komplett von Mal zu Mal. Das ist sicher schwer zu meistern?
Wir starten immer bei Null. Auf das angestrebte Level bringen wir die Schüler nur, wenn sie auch ihre Freizeit einsetzen.
Welche Aufgabe ist Ihnen die liebste?
Mir bereitet es Spass, die Band zusammenzustellen und selbst am Klavier mitzuspielen. Nur zu dirigieren wäre mir nicht genug Herausforderung. Ich greife vom Klavier aus korrigierend ein, halte die Truppe beieinander und führe den musikalischen Faden, wie es im Barock der musikalische Leiter vom Cembalo aus machte.
«Carrie» ist Ihre letzte Musical-Produktion. Ist es auch die letzte der Kanti überhaupt?
Es wird hoffentlich weiter Musicals geben. Aber nicht jedes Jahr. Sie bedeuten einen grossen Aufwand. Auch ich möchte als Ehemaliger Premieren besuchen.
Wie sind Ihre Pläne für die Zeit nach der Pensionierung?
Nach meiner langjährigen pädagogischen Tätigkeit an der Kanti freue ich mich, jetzt wieder vermehrt selbst zu musizieren.HinweisAufführungen «Carrie»: 28. und 29. Februar; 4., 7., 8., 13. und 14. März, jeweils um 19.30 Uhr in der Kanti-Aula, www.ksh.edu.