09.03.2019

Der leichte Heckenschlüpfer

Von Bert Stankowski
aktualisiert am 03.11.2022
Er ist wohl der kleinste König der Welt, aber mit dem grössten Reich von allen: Der Zaunkönig. Als einer der kleinsten Vögel der Schweiz, ganze acht bis zehn Gramm leicht, hat er sich ein unglaublich grosses Weltreich erobert. Ein Reich, das weder Alexander der Grosse noch das britische Empire erobern konnte! Seiner Verbreitung ist auf der nördlichen Erdhalb­kugel keine Grenze gesetzt und wenn, dann nur die der Ozeane. Er besiedelt erfolgreich Europa, Nordafrika, Vorder-, Zentral- und Ostasien sowie Nordamerika. Stellenweise steigt er im Hima­laja in Höhen von 4000 Höhenmetern auf und macht auch vor Inseln wie Japan, Island und Taiwan nicht schlapp.Und dieser weltweit agierende Zwerg bekommt gerade in der doch so obrigkeitsgläubigen Schweiz Lebensprobleme? Sein Wohnraum wird täglich um die Grösse eins Fussballfeldes zubetoniert. Strassen- und Siedlungsbau setzen ihm zu. Flug- und Autolärm kann er bald trotz seiner unglaublich lauten, scharfen Stimme nicht mehr übertönen. Aber wie sollen ihn da seine Untertanen und Mätressen noch hören können? Als Gartenbesitzer haben wir ihm gegenüber eine grosse Verantwortung übernommen. Hecken und Böschungen, gerne auch mit undurchdringlichem Stachelgewächs wie Brombeeren und Schlehdorn versetzt, sind sein Zuhause. Hier kann sich der Winzling blitzschnell vor seinen Feinden verstecken und heimlich in seinen aus reinen Spinnenfäden und Moos gebauten Kugelnestern verbergen. Im Frühling schmettert er dafür seine melodiösen Lieder, um Weibchen in die vorbereiteten Nester zu locken. Sie lesen richtig: Nester. Als König hat er das verbriefte Recht auf mehrere Königinnen.Im Jahr der Biodiversität tun wir gut daran, auch an die Kleinsten zu denken – und sei es nur ein Zwergenkönig!Ab April bis Anfang Juli legen sie fünf bis sieben Eier, die Jungen werden nach dem Ausbrüten für nur 14 Tage gefüttert werden. Dann sind sie flügge und verlassen das Nest, nach weiteren fünf Tagen Fütterung. Im Schutz der Hecke sind sie ausgewachsen. Nun müssen sie sich vor Fressfeinden wie Katzen, Hermelinen, Greifvögeln und sogar Eichhörnchen selber in Acht nehmen, wollen sie die zu er­wartenden sechs Lebensjahre erreichen. Sehen Sie irgendwo ein Federbällchen mit aufrechtem, wippendem Schwanz: Vielleicht ist es der König.Bert StankowskiWeisslingenwww.hostako.npage.eu

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