25.02.2021

Der Leader ist zurück im Spiel

Berns Ramon Untersander, der seine Karriere als Vierjähriger beim SC Rheintal begann, über die überstandene Corona-Infektion, Hirnerschütterungen und die sportliche Krise.

Von Tim Frei
aktualisiert am 03.11.2022
Es erwischte den Rheintaler doch noch. Nachdem Ramon Untersander die ersten drei Coronawellen im SC Bern ohne Ansteckung überstanden hatte, wurde er Anfang Februar als einer der letzten Spieler des Teams positiv auf Covid-19 getestet. So musste er zum vierten Mal innert knapp drei Monaten in eine zehntägige Quarantäne. Seine Erkrankung verlief zwar mild, doch hatte er einige Tage Mühe mit der Atmung: «Ich spürte ein Stechen in der Lunge.» Dass sein Puls bei intensiver Belastung noch erhöht ist, beunruhigt ihn nicht. Weiss er doch von Mitspielern, dass sich der Herzschlag in zwei bis drei Wochen wieder normalisiert.Der 30-jährige Widnauer hat sich so gut erholt, dass er sein Comeback früher als geplant geben konnte. Statt heute Abend in Zug kehrte der Verteidiger bereits am Samstag beim 4:1-Sieg gegen Ambri in die Aufstellung zurück. Nachdem er acht Spiele der Mannschaft am Fernsehen verfolgen musste, ist er froh, endlich wieder dabei zu sein. Denn: «Mit dem Team auf dem Eis zu stehen und gesund zu sein – das ist doch das Schönste für jeden Sportler.» Eine Leidensgeschichte, die seine Karriere gefährdete Eine Aussage, die im Sport oft vorkommt. Doch im Fall von Untersander steckt weit mehr dahinter. Das liegt an seiner langwierigen Leidensgeschichte, die Ende 2018 ihren Höhepunkt erreichte. Bereits in den Jahren zuvor hatte er unter den Folgen von Hirnerschütterungen gelitten: Aufgrund einer Störung des Gleichgewichtsorgans kämpfte er monatelang mit starken Kopfschmerzen und Schwindelattacken. Kurz vor Weihnachten 2018 wurden die Beschwerden so unerträglich, dass er sich dem damaligen Bern-Trainer Kari Jalonen anvertraute: «So geht es für mich nicht weiter, ich brauche eine längere Pause, um zu genesen.» Wofür der Coach sofort Verständnis hatte. So viel Mut Untersander für diesen Schritt brauchte, so wichtig war dieser für ihn. «Es war eine sehr schwierige Phase in meinem Leben», erinnert er sich, als damals gar die Fortsetzung der Karriere gefährdet war.  Weil seine Frau genau in dieser Zeit erstmals schwanger wurde, war für ihn klar: «So will ich mich gesundheitlich nicht fühlen, wenn meine Tochter zur Welt kommt – denn sonst wäre ich nicht fähig, für sie zu sorgen und Dinge mit ihr zu unternehmen.» Deshalb holte sich der Nationalspieler professionelle Hilfe, liess sich am Center für Hirnerschütterungen betreuen und arbeitete mit einem Mentaltrainer zusammen. Rücksichtslose Aktionen würden härter bestraftUntersander, der im Dezember 2020 zum zweiten Mal Vater wurde, ist heute beschwerdefrei. In Einkaufszentren kann es bei ihm zwar immer noch zu einer Reizüberflutung kommen. Doch anders als früher geht er nun gelassener damit um: «Ich gerate nicht mehr in Panik, hinterfrage mich nicht mehr – weil ich weiss, dass es sich nach ein paar Minuten wieder normalisiert.» Als Untersander Ende 2019 in einer SRF-Sendung offen über seinen Leidensweg gesprochen hatte, löste er auch eine Debatte über Hirnerschütterungen im Eishockey aus. Indem er sagte, dass der Respekt unter den Spielern vielfach fehle. Heute meint er, dass sich einiges getan habe: «Die Vergehen werden härter bestraft. Zudem habe ich das Gefühl, dass der Respekt zugenommen hat und es viel weniger Aktionen gibt, bei denen der Gegenspieler keine Chance hat, sich zu wehren.» Der rücksichtslose Check gegen den Kopf seines Mitspielers Eric Blum vor knapp zwei Wochen sei jedoch ein Rückschritt gewesen. Er übt Selbstkritik – wie es sich für einen Leader gehörtMit zuletzt drei Siegen en suite hat Bern einen wichtigen Schritt aus der Krise heraus gemacht. Der Erfolg gegen Ambri, nebst Rapperswil-Jona der Hauptkonkurrent um die Pre-Playoffs, dürfte psychologisch besonders wichtig gewesen sein. Und doch: Ein sportlich so schwieriges Jahr hatte Bern seit dem NLA-Wiederaufstieg 1986 noch nie. Wie es sich für einen Leader gehört, nimmt sich Untersander selbst in die Pflicht – Ende 2020 sprach er in der «Berner Zeitung» vom «himmeltraurigsten Jahr meiner Karriere». Weshalb konnte er sein Niveau nicht erreichen? «Wir Führungsspieler waren wegen der Pandemie auch neben dem Eis gefordert – etwa in den Verhandlungen mit dem Klub um Lohnreduktionen», sagt Untersander: «Weil ich der Typ bin, der zuerst für die anderen schaut und erst dann für mich, habe ich den Fokus auf mein Spiel verloren.» Seit er das zum Jahreswechsel erkannt hat, spielt er wieder auf seinem gewohnten Level – erst Corona bremste ihn aus. 

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