06.02.2022

«Der ICD spendet Betroffenen ein Gefühl der Sicherheit»

Christian Böhnel ist Kardiologe in der Praxis Marktstrasse in Heerbrugg und Oberarzt am Kantonsspital St. Gallen. Im Interview erzählt er, wann der Einsatz eines ICD sinnvoll ist, ob der Defibrillator als störend empfunden wird und mit welchen Herausforderungen Betroffene zu kämpfen haben.

Von Benjamin Schmid
aktualisiert am 02.11.2022
Wann ist der Einsatz von einem ICD sinnvoll und nötig?Christian Böhnel:Implantierbare Defibrillatoren werden eingesetzt, um Patienten vor potenziell tödlichen Herzrhythmusstörungen (plötzlicher Herztod) zu schützen. Dies ist der Fall, wenn eine Rhythmusstörung aus der Hauptkammer des Herzens (Kammerflimmern) überlebt wurde oder wenn ein hohes Risiko für die Entstehung solcher Rhythmusstörungen besteht.Führt der ICD bei den Betroffenen zwangsläufig zu mehr Lebensqualität? Bei Personen, die einen plötzlichen Herztod überlebt haben, sicherlich, da er eine Wächterfunktion darstellt und ein Gefühl der Sicherheit gibt. Dafür kann er gelegentlich bei sehr schlanken Patienten ersichtlich sein und vor allem optisch, aber auch mechanisch stören. In der Regel wird der Defibrillator aber nicht als störend empfunden.Mit welchen psychischen Herausforderungen haben Betroffene zu kämpfen? Mit Angst und Verunsicherung. Der ICD ist ein Rhythmuswächter, der eine Rhythmusstörung abwenden soll und kann. Darüber macht man sich normalerweise keine Gedanken. Sobald er aber implantiert wurde, bleibt dieser Hintergedanke. Aber er gibt auch ein Gefühl der Sicherheit. Die regelmässigen Kontrollen (in der Regel alle sechs Monate) spielen eine wichtige Rolle, denn sobald man sieht, dass keine Ereignisse aufgetreten sind, keine Therapieabgabe notwendig war und das Gerät einwandfrei funktioniert, steigert dies das Selbstvertrauen.Wie viele Personen haben in der Schweiz einen ICD? Pro Jahr wurden in den letzten zehn Jahren schweizweit zirka 1100 ICDs implantiert. Da Herzinfarkte bei Männern häufiger auftreten und diese die Hauptursache für eine Herzschwäche darstellen, sind Männer mit knapp 80 Prozent häufiger betroffen als Frauen. Ein Grossteil der ICD-Träger, also über 90 Prozent, ist zwischen 50 und 80 Jahre alt. Unter dem 40. Lebensjahr liegt der Anteil lediglich bei weniger als fünf Prozent.Welche Komplikationen können auftreten? Komplikationen können während und kurz nach der Implantation (Blutung, Infektion, Perforation der Herzwand durch die Elektrode) oder auch erst mit der Zeit (Elektrodendefekt durch Isolationsschaden, Bruch oder Lockerung einer Elektrode) auftreten. Es gibt auch die Möglichkeit einer Fehlwahrnehmung mit der Folge einer fehlenden oder auch einer unnötigen Schockabgabe. Dies gilt es mit regelmässigen Kontrollen zu verhindern, weil es sehr schmerzhaft sein kann. Es gibt auch die Möglichkeit eines Homemonitorings, wo die Messwerte nachts an das Nachsorgezentrum übermittelt werden.Wo finden Betroffene und ihre Angehörigen Hilfe? Einerseits bei der Hausärztin oder dem Hausarzt, bei Kardiologinnen und Kardiologen, andererseits im ambulanten psychologischen und psychiatrischen Bereich oder in Selbsthilfegruppen.

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