12.04.2019

Der humorvolle Wanderer

Urs Müller hat früh Verantwortung übernommen. Er heiratete mit 22, war zweifacher Vater schon während des Studiums und stand der Jung-FDP-Regionalpartei vor. Sein drittes Studium begann er mit 47.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Der Sohn des früheren Thaler Gemeinderatsschreibers ist im regionalen Pflegeheim zur Welt gekommen, als es noch ein Spital war. Er war der jüngste von vier Buben.Selbst hat er mit seiner Frau Susanne, einer Kinderkrankenschwester, vier Töchter im Alter von 31 bis 26. Mit Bezug auf seinen Onkel, der fünf Töchter hat und schliesslich auch noch Vater eines Buben wurde, meint Urs Müller lächelnd: «Ich wollte nicht weiter probieren.»Seit Oktober 2016 fährt der 53-Jährige täglich mit seinem kleinen, wendigen Fiat Cinquecento von Thal nach Diepoldsau, wo er im zweiten Stock des Gemeindehauses sein Büro hat. Urs Müller ist Geschäftsführer des Zweckverbandes Rheintaler Binnenkanalunternehmen und hat in dieser Funktion oft mit Gemeindepräsidenten und kantonalen Fachstellen zu tun. Noch vor fünf Jahren wäre er nicht auf die Idee gekommen, irgendwo als Gemeinde- oder Stadtpräsident zu kandidieren, doch die aktuelle Tätigkeit hat ihn am Beruf des leitenden Exekutivpolitikers Gefallen finden lassen.Dreimal studiert, aber nicht am StückFrüher hatte sich Urs Müller vorgestellt, einmal Lehrer zu werden. Aber die Aussicht auf sechsjähriges Lernen am Stück bedeutete die Abkehr vom Traumberuf. Heute ist Müller froh. Er sagt, er wisse nicht, ob er ein guter Lehrer wäre. Was Geduld betrifft, meint Müller: «I schaff dra.»Die Ausbildung nahm weit über zehn Jahre in Anspruch, doch der strebsame Thaler, ein zielstrebiger Mann schon in jungen Jahren, lernte in Etappen.Der Lehre als Tiefbauzeichner in Heerbrugg folgte ein Bauingenieur-Studium in Rapperswil, ehe Müller während vier Jahren für ein Zürcher Bauunternehmen tätig war. 1994, zurück in Thal mit allen vier Töchtern, arbeitete er nochmal solange in einem Ingenieurbüro. Nebenberuflich absolvierte er ein Studium zum Wirtschaftsingenieur an der Fachhochschule St.Gallen. Erst viel später, mit 47, liess er ein Nachdiplomstudium folgen: In Vaduz erlangte er den Titel Executive MBA. Er habe sehen wollen, ob er auch im Kopf noch fit genug sei, sagt er.Seit gut zwei Jahren ist Urs Müller in Thal Mitglied der Geschäftsprüfungskommission. Er ist Verwaltungsratspräsident eines Gartenbauunternehmens, gehört dem Leitungsteam der überkonfessionellen Freikirche ICF St.Gallen (International Christian Fellowship) an und betätigt sich im Vereinsvorstand des ICF Cambodia Campus Kinderhilfswerk.Mit geistreichem Witz Manko wettmachenAls Geschäftsführer des Binnenkanal-Zweckverbandes hat Urs Müller keine Mitarbeiter. Führungserfahrung eignete er sich früher an, als Bauführer mit zwanzig bis dreissig Mitarbeitenden, und bei seiner 15-jährigen Tätigkeit bei Jansen, als er sich mit einer Kollegin die Leitung einer Division mit 120 Mitarbeitern teilte. Auch einem vier- oder fünfköpfigen Team stand er bei einer kleineren Firma schon vor.Die paar wenigen Stapel in seinem sonst aufgeräumten Büro nennt Urs Müller fast liebevoll Sedimente. Zwangsläufig Abgelagertes. Es gebe diese Biegeli eben. Als er mit dem Satz, ihm lägen Transparenz und ehrliches Kommunizieren am Herzen, beim Gegenüber ein Lächeln bewirkt, quittiert er dieses sogleich wie ein Ertappter, indem er hinzufügt: «Das sagen wohl alle.»Statt mit der Ernsthaftigkeit, die oft genug in die Gesichter von Kandidaten gemeisselt ist, durchforstet Müller seinen Alltag mit fast permanentem Lächeln und der Neigung, mit geistreichem Witz ein kleines Manko wettzumachen. Denn der beste Diplomat sei er wohl nicht, stattdessen sei er «gern mit Anstand ehrlich», was er umgekehrt auch an den andern schätze. Was er gut oder schlecht findet, bringt Müller am liebsten sogleich auf den Punkt.Sport interessiert ihn besondersIm Laufe eines längeren Gesprächs lässt sich vermuten, auch ein Dasein als Comedian könnte Urs Müller beglücken. Er lacht laut heraus. «Ja!» Abwegig sei das nicht, er lache in der Tat sehr gern, «mit Humor lässt sich viel aufbrechen». Er lache auch gern über sich selbst, zuwider sei ihm allerdings die seiner Ansicht nach zunehmende Tendenz, die Gürtellinie zu unterschreiten. Hingegen gefällt ihm Humor in Verbindung mit einer gewissen Gesellschaftskritik.Seit knapp zwei Jahren ist Urs Müller Grossvater. Eine seiner vier Töchter hat einen Sohn bekommen – Noah. Den wird freuen, dass der Opa nicht nur einen alten Traktor für seine 2000 Quadratmeter Wald in Thal besitzt, sondern seit dem Herbst auch einen älteren Campingbus, in dem er mit der Gattin schon mal Norditalien bereiste.Urs Müller interessiert alles, was mit Sport zu tun hat. Seit der zweiten Klasse ist er im Turnverein Thal. Er teilt die Leidenschaft fürs Wandern mit der Gattin, die von ihm sogar den Besuch eines Neujahrskonzert in der St.Galler Tonhalle geschenkt bekam. Sogar, weil Müller zwar gern Krimis liest, das Kulturelle sonst jedoch nicht unbedingt sein Interesse weckt.Das hat mit seinem mehrjährigen musikalischen Wirken am Klavier zu tun, das wenig erfolgreich gewesen sei und in ihm selbst keine Begeisterung ausgelöst habe. In Rheineck sei der kulturelle Stellenwert allerdings bedeutsam, und dem werde er sehr wohl mit Anerkennung Rechnung tragen.Als kommunikativem Menschen, der gern unter Leuten ist, hat Müller für Rheineck den frühen Einbezug der Bürgerschaft im Sinn, er spricht von partizipativer Planung und lässt sich sein unverzüglich aufkeimendes schlechtes Gewissen für die Verwendung des Adjektivs partizipativ anmerken. Weniger geschwollen ausgedrückt, schiebt Müller nach, ihm widerstrebe jegliche Vogel-friss-oder-stirb-Politik.Was käme für ihn als Stadtpräsidenten nicht in Frage? Sicher, sagt er, würde er nie seine Aufgaben mit persönlichen Interessen vermischen. Transparente, saubere Prozesse sind für ihn «das A und O».

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