16.09.2022

«Der helfende Pfeiler bröckelt»

«Folge dem Ruf der Trommel», steht auf dem Flyer des Tipidorfs Mittelrheintal geschrieben. Doch dieses Jahr scheinen viele Eltern die Trommeln nicht zu hören: Es fehlt massiv an helfenden Freiwilligen.

Von Interview: Monika von der Linden
aktualisiert am 02.11.2022
Seit fast 20 Jahren wird am Waldrand des Rosenbergs regelmässig ein Dorf aus Tipizelten errichtet. In den Herbstferien dürfen dort täglich bis zu 250 Kinder und Jugendliche basteln und spielen. Patrizia Fiechter aus Berneck und Olaf Tiegel aus Heerbrugg gehören dem OK der siebten Durchführung des Tipidorfs Mittelrheintal ein. In diesem Jahr bereitet es ihnen Sorge, dass sie zwei Wochen vor Beginn noch nicht auf genug Helfende zählen kön­-nen. Sie sprechen über mögliche Konsequenzen.Ist es denkbar, dass das Tipidorf abgesagt wird, falls es nicht genug Helferinnen und Helfer gibt?Patrizia Fiechter: Ganz absagen werden wir es nicht. Es haben sich bereits viele Leute gemeldet, die an mehreren Tagen helfen werden. Das genügt aber nicht: An jedem der Nachmittage können bis zu 250 Kinder und Jugendliche teilnehmen. Wollen wir sie alle gut betreuen, könnten wir idealerweise 40 Helfende pro Tag einsetzen. Olaf Tiegel: Wir haben etwas mehr als die Hälfte abgedeckt. Wir legen 400 Helfendentage zugrunde, 235 sind gesichert.Wie sieht Ihr Plan B aus?Fiechter: Wir verkaufen nur so viele Tickets, wie wir Kinder betreuen können. Weniger Helfende heisst auch weniger Kinder. Das ist vor allem für jene unschön, die an der Tageskasse ein Ticket ergattern möchten.Tiegel: Wir können nicht die volle Kapazität ausschöpfen. Wir erlebten es bereits, dass mehr als 250 Kinder gleichzeitig teilnehmen wollten. Viele Eltern wissen also, wie es ist, wenn wir ausverkauft sind und manche Kinder wieder nach Hause schicken müssen. Wie viel Zeit haben Sie noch, um die Lücke zu schliessen?Fiechter: Bis zum letzten Tag. Das Problem ist, dass wir den Ticketverkauf vorher drosseln müssten.Worin sehen Sie die Ursachen für die mangelnde Bereitschaft?Fiechter: Es kennen wohl alle Vereine die Situation, dass sich viele Leute lange nicht festlegen wollen und sich spät entscheiden. Auch uns ist das nicht neu. Die Suche war immer harzig. So zugespitzt wie diesmal hat es sich aber noch nie. Wir brauchen eine Planungssicherheit. Das Verhältnis Kinder zu Helfenden muss stimmen. Auf das Nachahmen fremder Kulturelemente reagiert man heute sensibel. Sie bauen ein Tipidorf nach dem Vorbild amerikanischer Ureinwohner auf. Sind Sie Kritik kultureller Aneignung ausgesetzt?Tiegel: Nein, gar nicht. Uns hat niemand darauf angesprochen. Im OK haben wir unsere Position diskutiert. Wir führen einen Kinderanlass durch und machen uns über niemanden und keine Kultur lustig. Wir verkleiden uns nicht. Ich sähe es als kritisch an, würden wir oder die Kinder Federschmuck tragen. Es geht nicht darum, dass wir uns etwas aneignen, wir stellen die Infrastruktur.Fiechter: Wir wollen mit den Kindern und Jugendlichen draussen sein, gemeinschaftlich etwas in der Natur erleben und ein gewisses Gleichgewicht halten. Wir stellen zum Beispiel auf Mehrweggeschirr um. Der Dorfplatz mit den rundherum angeordneten Tipis ist ideal. Der Lebensart der indianischen Menschen entspricht es, dass alle allen helfen.  Die Erwachsenen unterstützen die Kinder, selbstständig etwas zu schaffen. Dieser Pfeiler bröckelt leider.Sie tragen beide T-Shirts mit einem indianischen Namen. Was bedeuten sie?Tiegel: Papawas – das steht für glücklicher Mann.Fiechter: Avani heisst Erde.Wie machen Sie potenziellen Helfenden einen Einsatz schmackhaft?Fiechter: Die Anforderungen sind niedrig. Hauptsächlich ist Freude daran gefragt, mit Kindern etwas draussen zu unternehmen. Bei der Einteilung gehen wir auf Wünsche ein. Es braucht keine besonderen Bastelkenntnisse. Material, Muster und Anleitung findet man am Arbeitsplatz vor. Der zeitliche Aufwand beschränkt sich auf die Stunden am Nachmittag vor Ort. Hinweis: Das Tipidorf Mittelrheintal fin­det vom 3. bis 14. Oktober auf dem Rosenberg in Berneck statt. Tickets kauft man unter www.tipidorf-mittelrheintal.ch. In der Papeterie Moflar in Heerbrugg tauscht man sie gegen Bändel und füllt diese mit Namen und Telefon aus. Falls vorhanden, gibt es sie auch an der Tageskasse.

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