09.11.2018

Der Hanfanlagen-Bande letzter Streich

Diese Woche standen die letzten Mitglieder der Bande vor Gericht, die in einer Halle am Südring eine Hanfanlage betrieben hatte. Einer der Angeklagten ist jener Mann, der in der Halle niedergeschossen wurde.

Von Kurt Latzer
aktualisiert am 03.11.2022
Am Mittwoch standen der «Elektriker» und der «Lehrer» vor den Schranken des Kreisgerichtes Rheintal. Der Mittvierziger war für die technische Einrichtung in der Halle zuständig, der 62-Jährige mit Erfahrung im Hanfanbau für das Gedeihen der Pflanzen.Nach über dreieinhalb Jahren sind das die letzten zwei Bandenmitglieder, über die geurteilt wurde.Gremium nicht befangen, Zeugenbefragung zulässigWäre es am Dienstag nach dem Willen des Verteidigers des «Elektrikers» gegangen, hätte die Verhandlung nicht stattgefunden. Er beantragte eine neue Besetzung des Gerichts, da sei­-ner Meinung nach Richter und Beisitzer befangen seien. Weiter wollte der Anwalt den Auftritt dreier Zeugen verhindern, alle Mitglieder der Hanfanlagen-Bande. Die Richter und Beisitzer hätten bei den parallel geführten, abgekürzten Verfahren der anderen Bandenmitglieder bereits mitgewirkt.«Ich meine, sie sind vorbefasst, und dies in unzulässiger Weise», sagte der Anwalt. In den Verhandlungen anderer Bandenmitglieder hätten sich die Richter und Beisitzer schon eine Meinung zum Fall bilden müssen, was zu Befangenheit führe. Die Zeugenbefragung wollte der Anwalt des «Elektrikers» als unzulässig eingestuft haben, weil zu befürchten sei, die schon verurteilten Bandenmitglieder könnten nun seinen Mandanten «in aller Seelenruhe in die Pfanne hauen». Der Verteidiger des «Lehrers» schloss sich den Anträgen an. Das Gericht widersprach, begründete dies und lehnte die Anträge ab.Frage nach Bossen und HandlangernDass die beiden Angeklagten bei der Hanfanlage am Südring mitgewirkt hatten, stand ausser Frage. Weil wichtig für die Festlegung des Strafmasses, hatten die Richter und die Richterin in der Verhandlung herauszufinden, auf welcher Hierarchiestufe die Beschuldigten standen.Die Staatsanwaltschaft ging davon aus, es handle sich bei den Männern um Mitglieder des Führungsquartetts, was Verteidiger und deren Mandanten bestritten. Der «Elektriker» sagte, er habe nur Aufträge für Installationen bekommen und diese erledigt. Ab und zu habe er bei anderen Arbeiten geholfen. Zudem habe er ausser Spesen nie Geld bekommen. Auch der «Lehrer» sah sich nicht in der Rolle einer der Bosse. Weder über Erntemengen noch über Umsätze habe er Bescheid gewusst. Gemäss den Worten der Angeklagten und der Zeugen waren der Hallenbesitzer und ein ihm nahestehender Mann, der die Anlage gemanagt haben soll, die Bosse.Niedergeschossen und schwer verletztDie beiden Beschuldigten ga­ben zwar zu, dass ohne sie die Anlage wahrscheinlich nie zustande gekommen wäre, wehrten sich aber gegen den Vorwurf, eine Führungsrolle übernommen zu haben.«In die Sache hineingerutscht» sei der «Lehrer», weil man in einschlägigen Kreisen von seinen Erfahrungen mit einer Hanfanlage in Birmensdorf gewusst habe. Als er vom Altstätter Besitzer und dessen Bekannten angesprochen wurde, habe er sich Bedenkzeit ausbedungen. Nur wenn man den «Elektriker», der bei der Anlage in Birmensdorf geholfen hatte, mit ins Boot hole, wollte er mitwirken.Im Nachhinein bedauerte der «Lehrer», seinen Freund hineingezogen zu haben. Er fühle sich deshalb schuldig am Zustand des Mannes. Beim Überfall auf die Altstätter Hanfanlage am 16. Februar 2015 war der «Elektriker» niedergeschossen und lebensgefährlich verletzt worden. An den Folgen leidet der Mann für den Rest seines Lebens. Dass der «Elektriker» in dieser Nacht aufgrund eines Dienstplanes für die Bewachung der Halle eingeteilt war, konnte nicht hieb- und stichfest nachgeweisen werden.Das Urteil fiel mild aus. Im Gegensatz zur Forderung der Staatsanwaltschaft sprach das Gericht am Donnerstagnachmittag keine unbedingten Haftstrafen aus. Der «Elektriker» fasste 18, der «Lehrer» 24 Monate Gefängnis auf Bewährung. Beide müssen die Kosten des Verfahrens und ihre Auslagen tragen sowie 30 Tagessätze zu 50 Franken, respektive 60 Tagessätze zu 50 Franken bezahlen. Wegen der derzeitigen persönlichen Verhältnisse der beiden stellte das Gericht eine positive Prognose. Berücksichtigt wurden auch die bleibenden gesundheitlichen Schäden, unter denen der «Elektriker» leidet.Der Richter ging davon aus, die Angeklagten hätten nicht zuletzt aufgrund der tragischen Vorfälle ihre Lehren daraus gezogen. Während der 62-Jährige ab dem 1. Januar eine neue Stelle antreten und einen Teil des Lebensunterhalts selbst erwirtschaften kann, wird der «Elektriker» auf Sozialhilfe angewiesen bleiben. 

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