29.03.2022

Der Glückstaler erfüllt seine Aufgabe

Die 15-jährige Sirin Städler gewann in beeindruckender Manier die drei ersten Rennen der Saison. Es liegt nicht nur am Glücksbringer.

Von Yves Solenthaler, Rivera
aktualisiert am 02.11.2022
Seit dieser Saison steckt Sirin Städler eine 5-Cent-Münze in die Rückentasche ihres Dresses, der Glückstaler bringt tatsächlich Glück: Die Hinterforsterin hat in der Kategorie U17 alle drei Rennen vom März gewonnen.Vor einer Woche setzte sie sich trotz Startplatz 47 in ihrem ersten Rennen der UCI Junior Series in Marseille durch. Dort fuhr sie allen davon, wie schon eine Woche zuvor am Swiss Cup in Rickenbach LU. Am Samstag bei der neuen ÖKK Bike Revolution am Monte Tamaro zeigte sie eine andere Facette ihres Könnens: Sirin Städler erwies sich als gewiefte Taktikerin.[caption_left: Sirin Städler schlägt im Aufstieg den kürzesten Weg ein und kann schon wieder mit Schwung in die Pedale treten, während ihre Teamkollegin Lara Liehner noch im Aufstieg ist.  Bild: pd]Sie erholte sich, während sich die anderen abspultenAm «Monte Chicco D’Oro» hängte sie in der letzten Runde Muriel Furrer und ihre Teamkollegin Jana Liehner ab. Sirin Städler wählte in der kurzen Abfahrt die direkte Linie über den Felsbrocken, die Gefährtinnen fuhren weit aussen herum. «So holte ich auf einen Schlag 15 Sekunden raus», sagt Städler. Das mag übertrieben sein, aber es war genug Vorsprung, um auf den letzten etwa 500 Metern bis ins Ziel die Beine hochzulegen, wie sie bemerkte.Die entscheidende Szene war kein finales Husarenstück, es war die Fortsetzung des bisherigen Rennens: In den anspruchsvollen Passagen auf der Klassikerstrecke im Ceneri-Gebiet holte Städler immer ein paar Meter Vorsprung heraus. Aufwärts fuhr sie aufrecht, während die Konkurrentinnen, den Kopf tief über den Lenker gebeugt, hinterherjagten. «Das immer wieder zu tun, kostet extrem viel Kraft», sagt Städler.Sie konnte sich dagegen ausruhen in den Aufstiegen und den Teerpassagen. Sie behielt die Nerven, weil sie wusste, dass sie an der letzten Klippe die Sache richten würde. Frei von taktischem Kalkül wäre es gewesen, als stärkste Fahrerin den anderen einfach davonzufahren. «Das schien mir zu unsicher: Die Verfolgerinnen waren zu zweit, das ist ein Riesenvorteil», erklärt die Schülerin, die im kommenden Sommer eine kaufmännische Ausbildung beginnt. Sirin Städler, die im Oktober erst 16-jährig wird, bestreitet ihr zweites Jahr in der U17. Sie fuhr schon in den tieferen Altersklassen an der nationalen Spitze, sie gewann auch Rennen, aber noch öfter fehlte ein Quäntchen zum Sieg. Auf diese Saison hin bekam Sirin Städler die Möglichkeit, in ein grosses Team zu wechseln: Sie fährt nun wie Mathias Flückiger oder Alessandra Keller für Thömus. Das Team des Schweizer Bikeherstellers wird geleitet vom früheren Weltklasse-Mountainbiker Ralph Näf. Sirin Städler fährt für Thömus Akros, das Nachwuchsteam. Neulich war ein Techniktag mit Kathrin Stirnemann, der U19-Nationaltrainerin. Das Team führt auch Trainingslager durch, im Alltag trainiert Sirin Städler jedoch nach wie vor meist allein. Schlüsselstellen vor dem Rennen genau angeschautDas Training betreibt sie auch ohne Teamhilfe ebenso gewissenhaft wie die Rennvorbereitung. Am Freitag vor der Tamaro Trophy, die ein EM-Qualirennen war, fuhr Städler bereits die Strecke ab und besichtigte die Schlüsselstellen. Und am Morgen vor dem Rennen ging sie nochmals auf den Kurs, lachend sagt sie: «Das machten die Schweizerinnen vor ihrem Dreifach-Sieg an den Olympischen Spielen auch so.»Damals hatte es auf der Insel Izu in der Nacht zuvor allerdings geregnet, diesmal blieb es am Monte Tamaro trocken, wie es im Tessin schon seit Wochen ist. Aber die Genauigkeit, mit der sie die Strecke analysiert, macht klar: Es ist nicht nur der Glückstaler, der Sirin Städler in den Rennen Glück beschert.[caption_left: Micha Alder lag am Monte Tamaro zwischenzeitlich an der Spitze, ein Sturz verhinderte aber ein besseres Resultat als den sechsten Platz.  Bild: ys]Zweittext:Micha Alder kämpft allein gegen ein Team Der 16-jährige Micha Alder aus Altstätten fuhr am Monte Tamaro in der U17 auf den sechsten Platz. Er lag wie schon am Swiss Cup lange mit den Gossauern Nicolas Halter und Sven Sommer an der Spitze. Vor zwei Wochen klassierte sich Alder als Zweiter, im Tessin fiel er nach einem Sturz aus der Entscheidung und auf den sechsten Platz zurück. Den Sieg sicherte sich Nicolas Halter, dessen Vater in Berneck aufgewachsen ist.Das Szenario mit den beiden Ka-Boom-Fahrern an der Spitze zeigt die schwierige Voraussetzung für Micha Alder. Die Gossauer fahren für ein national grosses Team, sie können sich im Training gegenseitig puschen und sie sind mit einem Fully – einem vollgefederten Bike – unterwegs. Micha Alder vom VC Altstätten ist der einzige Fahrer vom Team Pink Gili, der um Spitzenplätze fährt. Sein Sportgerät ist ein Hardtail (nur Vorderfederung) – ein Exemplar der Marke Felt, die seit zwei Jahren keine Mountainbikes mehr herstellt. «Es war das letzte Felt-Bike, das Gili im Laden hatte», sagt Alder. In technisch anspruchsvollen Passagen ist er damit unterlegen. Dafür hofft Alder auf einen grösseren Lerneffekt: Das Hardtail zwingt ihn auch im Training, exakter zu fahren. Wenn er durchhält, hat er gute Perspektiven.Aber ein Wechsel zu einem grösseren Team wird überlegenswerter, je älter er wird, das weiss Micha Alder auch. Nächste Saison fährt Micha Alder in der U19, dann gibt’s auch mehr Rennen im Ausland. 

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