Gert BrudererIn jungen Jahren – als Halbwüchsiger, wie Frei es nennt – war er Souffleur bei der damaligen Jungmannschaft Oberriet. Als eines Abends drei oder vier der Schauspieler vor der Aufführung mit dem Auto im Binnenkanal landeten, zum Glück unverletzt blieben, und einer der Akteure von der Polizei zurückgehalten wurde, kam Theo Frei zum einzigen Auftritt seines ganzen Lebens.Plötzlich stand er im Scheinwerferlicht, denn als Souffleur war ihm der Text geläufig – und so konnte er den Fehlenden ersetzen. 1969 war das, oder 1970.Theaterleidenschaft vom Vater geerbtIn Marbach, wo er aufwuchs, wirkte Vater Hans als Regisseur der dortigen Jungmannschaft. Nur Buben spielten, und die Kirche wachte damals über das Geschehen. Anders als Hans Frei, der es leid war, Mädchen- oder Frauenrollen mit Buben zu besetzen, sprach der Kaplan sich gegen die Mitwirkung von Mädchen oder jungen Frauen aus.Eines Abends, als der Vorhang wieder einmal aufgegangen war, meinte der Regisseur, es werde erst mit Spielen angefangen, wenn der Herr Kaplan den Saal verlassen habe. Dieser kuschte, und ab jenem Abend spielten Mädchen mit.«Hut ab», sagt Theo Frei, «der Sache hat’s gedient.» Er selbst sei nicht so eigenwillig wie der längst verstorbene Vater, doch die Leidenschaft für das Theater habe er wohl schon geerbt.Viele kleine Schritte getanDer Mann mit dem ausgeprägt freundlichen Wesen, der bis 2015 jahrzehntelang für die Stadt Altstätten gearbeitet hat, wirkt lieber im Hintergrund. Für die Alt-stätter Kulturwoche Staablueme betreute Frei zusammen mit Erwin Hutter mehrere Male das Bauressort, obschon er «zwei linke Hände und zwei linke Knie» hat.Er war das Bindeglied zwischen «Staablueme» und Stadt, ein Teamworker, der weit über die eigenen Aufgaben hinaus anpackte, wo immer das möglich oder nötig war.Als Vorstandsmitglied des Verkehrsvereins unterstützte er einst den von Jack Griss gepflanzten «Sommerbaum» – eine Reihe von acht bis zehn Darbietungen in der warmen Jahreszeit, mit wechselndem Aufführungsort.Theo Frei geht es wie vielen, die sehr viel getan haben: Die Erinnerung verwischt, wann genau welche Leistung erbracht wurde. Scharf im Kopf hat Frei die jüngere Vergangenheit, die grossen Aufgaben und die «vielen kleinen Schrittli», die es braucht, wenn beispielsweise jemand seine Jacke im Theater liegen liess oder ein älterer Mensch mit dem Bestellen im Netz nicht zurechtkommt.Und, und, und.Zwei bis vier Stunden pro Tag, sagt Theo Frei, habe er in den letzten elf Jahren fürs Diogenes-Theater aufgewendet.Für vieles verantwortlichAngefangen hat alles vor drei Jahrzehnten mit Plakataufhängen. «Aber sicher», hatte der damalige Mitarbeiter des Grundbuchamts und spätere Leiter des Liegenschaftsdienstes gemeint, als er gefragt wurde. Das mache er gern.Bald war er Diogenes-Aktuar, dann auch noch eine Zeitlang der Betreuer der Theaterbar, schliesslich wurde er der Programmverantwortliche, und für Schulvorstellungen und Workshops war er grad auch noch die zuständige Kraft. Bei den Eigenproduktionen wirkte Frei als Regieassistent. Und schliesslich half er wesentlich bei der Finanzbeschaffung und erledigte Kontrollaufgaben.Seit dem Einstieg beim Diogenes-Theater 1990 pausierte der vielseitig Interessierte, der nicht nur viel, sondern sehr viel liest – über Religion, Philosophie, Zeitgeschichte – während zwei Jahren. Denn er wollte sehen, ob er «es» vermissen würde. Die Mitwirkung, das Umfeld, das Ambiente.Wie die Antwort lautet, wissen wir.Streit kennt er zwar, aber den von anderenTheo Frei ist die Ruhe selbst. Seine Bewegungen, seine Worte, die Geschichten, die er erzählt – alles lässt auf eine tiefe Zufriedenheit schliessen und vermuten, vor sich habe man einen Mann, der Streit nicht kenne.Doch, doch, Theo Frei kennt Zwietracht nur zu gut: In seinem Beruf hat er viel erlebt, gelegentlich zerstrittene Parteien, aber er hatte für alle ein offenes Ohr, blieb neutral, war um Gleichbehandlung bemüht. Sich in jemand anderen hineinzuversetzen, das habe er früh gelernt. Und dann erwähnt er Alfons Thür, einen früheren Stadtrat und ehemaligen Kollegen in der Strassenkommission. Dieser Alfons Thür «kann das noch besser als ich», erklärt Theo Frei fast schon feierlich – und bestätigt, was jeder ihm ansieht: «Es braucht wirklich viel, bis ich mich aufrege.» Und wenn doch, so lässt er es nicht an den anderen aus.Die von Frei bevorzugte Literatur hat viel mit menschlichem Verhalten zu tun. Sein eigenes war in den letzten Jahren eine Mischung aus Einsatz für andere und wohltuendem Müssiggang. Länger schlafen war das erste, was daheim eingeführt wurde, als er zum Rentner wurde.Geht er einkaufen, schreibt die Gattin ihm vielleicht zehn Sachen auf, er bringt dann zwanzig heim.Der Vater eines Akkordeon spielenden Sohnes, der von Beruf Ingenieur ist, sowie einer Tochter, die in Altstätten als Lehrerin arbeitet und mal einen Lyrikband veröffentlichte, spricht vom Diogenes-Theater wie von einer zarten Blume. Ihn beglückt, dass es im Gegenteil viel Kraft ausstrahlt und die Zahlen der letzten Theatersaison sehr beeindruckend sind.47 Prozent des Programms bestreiten RheintalerFast 9000 Besucherinnen, Besucher und Mitwirkende weist die Statistik fürs letzte Jahr aus, so viele hatte das Diogenes-Theater vorher nie. 115 Veranstaltungen mit Licht, Ton und Publikum wurden durchgeführt und gut 220 Proben.Das Diogenes-Theater, das übrigens als einziges Kleintheater der Schweiz ein Jodelchörli hat, wird im September eine Woche lang die Komikerin Regula Esposito (bzw. die von ihr verkörperte, berühmte Bühnenfigur Helga Schneider) zu Gast haben; sie probt in Altstätten und schliesst ihre Proben mit einem Try-out ab, einer Art Generalprobe vor Publikum.Vom reinen Gastspielbetrieb hat das Theater sich in den letzten elf Jahren aber weit entfernt. Beinahe die Hälfte des Jahresprogramms wird durch Rheintalerinnen und Rheintaler bestritten, von kreativen, einsatzfreudigen Menschen, die etwas erarbeiten und öffentlich zeigen. Es ist dies ein triftiger Grund dafür, dass das Theater von der öffentlichen Hand massgeblich unterstützt wird.Angesichts seines enormen Beitrags auf dem langen Weg hierher mag man sich Theo Frei dankbar und gern vorstellen, wie er ohne weitere Verpflichtung den Gedanken folgt, die er von einer Sendung wie «Sternstunde Philosophie» dargeboten bekommt, wie er gemütlich im Liegestuhl den eigenen Gedanken nachhängt oder, was gewiss auch vorkommt, ab und zu als Zuschauer im neuen Diogenes-Theater im Haus Prestegg Platz nimmt und sich voll und ganz aufs Geniessen beschränkt.HinweisHeute Abend an der Diogenes-Hauptversammlung wird Theo Frei geehrt.