Das aktuelle «Scharotl», die vierteljährlich erscheinende Publikation der Radgenossenschaft der Landstrasse, zeigt auf dem Titelblatt Jenische, versunken im Spiel mit ihren Musikinstrumenten. Eigentlich hätten sie gelegentlich auch gerne im Thaler Fuchsloch musiziert, doch bekanntlich stimmte die Bürgerschaft im Jahr 2014 gegen die Umzonung für einen Durchgangsplatz. Gemeinde und Kanton St. Gallen wollten daraufhin auf dem Areal einen lediglich provisorischen Durchgangsplatz einrichten, doch auch dagegen gab es Kritik im Dorf. Der Gemeinderat machte schliesslich einen Rückzieher und verfolgte den provisorischen Durchgangsplatz nicht weiter.Die Radgenossenschaft, die Dachorganisation der nationalen Minderheit der Jenischen und Sinti der Schweiz, liess sich davon aber nicht unterkriegen und wandte sich in der Folge ans Verwaltungsgericht und ans Bundesgericht. Im «Scharotl» räumt die Radgenossenschaft zwar ein, dass das Bundesgericht die Beschwerde der Radgenossenschaft abgelehnt habe, weil gegen die Stellungnahme der Gemeinde kein Einspruch erhoben werden könne. Inhaltlich enthalte das Urteil allerdings eine höchstrichterliche Bestätigung, dass die Gemeinde bis 2027 einen Durchgangsplatz – und zwar nicht nur ei-nen provisorischen! – schaffen müsse, wie er im kantonalen Richtplan vorgesehen sei. Die Radgenossenschaft schreibt: «Eine währschafte Ohrfeige für die Gemeindeexekutive, die offenbar geglaubt hatte, mit
der Ablehnung eines Provisoriums sei auch die Verpflichtung zur Schaffung eines definitiven Durchgangsplatzes vom Tisch.»Ganz so klar scheint es dann aber doch nicht zu sein, denn das kantonale Verwaltungsgericht zeigt zwar Verständnis für die Anliegen der Jenischen und Sinti, betont aber auch: «Auch die Zonenplanänderung für einen fixen Durchgangsplatz, wie er im kantonalen Richtplan vorgesehen ist, kann nicht auf dem Rechtsmittelweg durchgesetzt werden – dafür braucht es den politischen Weg.»Fuchsloch ist vom Tisch, der Rat plant eine UmzonungStellt sich die Frage, wie der seit Anfang April amtierende neue Thaler Gemeindepräsident Simon Diezi grundsätzlich zu einem Durchgangsplatz für Jenische und Sinti in Thal steht – ist er gewillt, neuen Schwung in die Angelegenheit zu bringen? Seine Antwort fällt zurückhaltend aus. «Meine Ansicht ist diesbezüglich nicht relevant. 2014 hat sich die Bevölkerung in einer Abstimmung gegen eine Umzonung ausgesprochen. Der Gemeinderat hat sich 2019 entschieden, die Realisierung eines provisorischen Durchgangsplatzes nicht weiterzuverfolgen.»
Ist der Gemeinderat gewillt, den Durchgangsplatz gemäss kantonalem Richtplan zu realisieren, auch wenn dieser offensichtlich nicht verbindlich ist? «Diese Diskussion hat bisher nicht stattgefunden. Bisher bestand keine Notwendigkeit, sie zu führen. Kürzlich hat die Gemeinde die Vorprüfung des Zonenplans, der Ende 2021 eingereicht wurde, erhalten. Es ist vorgesehen, das Grundstück in die Zone für öffentliche Bauten zu überführen, unabhängig der künftigen Nutzung», sagt Diezi und verweist darauf: «Der kantonale Richtplan ist im Streitfall nicht verbindlich. Ein Durchgangsplatz kann nur mit dem Willen der Bevölkerung und der Gemeinde realisiert werden.»Die Radgenossenschaft sieht das allerdings anders und bleibt zuversichtlich, dass sie ihr Recht auf Lebensraum und die Erhaltung der traditionellen Lebensweise auch einklagen und bei raumplanerischen Entscheiden Einspruch erheben kann. «Das ist eben nicht nur unsere Zuversicht, es ist die Auffassung des Bundesgerichtes», so die Radgenossenschaft in ihrer Stellungnahme.Der Kampf hat sich so oder so gelohntWichtig sei die neue Darlegung des Bundesgerichtes, dass die Gemeinde – schon gemäss Ur-teil der Vorinstanz – verpflichtet sei, die für die Errichtung und den Betrieb eines langfristigen Durchgangsplatzes für Jenische, Sinti und Roma erforderliche Anpassung des Zonenplanes in die Wege zu leiten. Und dies innert zehn Jahren seit Vollzugsbeginn des Planungs- und Baugesetzes, konkret bis Oktober 2027. Die Radgenossenschaft betont: «Das ist nicht unsere subjektive Meinung, das ist die Darlegung des Bundesgerichts.»
Allein für diese Feststellung habe sich der Kampf gelohnt. Und noch viel mehr, wenn man einbeziehe, wie sämtliche Kantone, die mit dem Thema befasst seien, wahrnehmen würden, was die Radgenossenschaft mache. «Aber weil wir im Fall Thal nicht bis 2027 warten wollen und eine grundsätzliche Öffnung eines Rechtsweges für die Interessensvertretung der Minderheiten in solchen Fällen wollen, ziehen wir den Fall weiter ans Cerd, das UNO-Komitee für Menschenrechte.»