Gert BrudererEhrgeiz und Ausdauer kennt der Altstätter vom Sport. Das frühere Städtlilauf-Vorstandsmitglied (1999 bis 2005) hat zweimal am Swiss Alpine Marathon teilgenommen (1998 und 1999). Am 12-km-Crosslauf im Fürstentum Liechtenstein erreichte er in seiner Altersklasse ex aequo mit einem Konkurrenten den 2. Rang, und 2019, 52-jährig, meisterte Karlheinz Pracher den Switzerland Marathon Light, der um den Sarnersee führt.Der «ambitionierte Volksläufer», wie er selbst sich nennt, begann als junger Mann in Vorarlberg mit Laufen, nachdem er seine Leistungsfähigkeit bei einer Wette überschätzt und die Wette verloren hatte. Noch heute legt er wöchentlich 30 bis 40 Kilometer zurück. Wie die Gattin hat er ausserdem Freude am Langlaufen und Wandern. Karlheinz Pracher sagt, er sei «echli der Wettkampftyp». Er hat dabei jedoch nicht Uhr und Rang im Auge, sondern eher den vor ihm laufenden Jogger. Zu versuchen, diesen einzuholen, könne Spass bereiten wie der Versuch, an neuen Aufgaben zu wachsen.Einst Jungscharleiter und Gitarrist in QuintettBevor Karlheinz Pracher Anfang der Neunzigerjahre Jugendberater in Altstätten wurde, hatte er in einem Landesjugendheim in Vorarlberg drei Jahre als Sozialpädagoge gewirkt. Sein Heimatort Loosdorf liegt bei Melk in Niederösterreich, wo Karlheinz Pracher aufgewachsen ist. Dort lebt noch sein Vater, ein ehemaliger Fernmeldemonteur und Oberwerksmeister.Karlheinz Pracher betätigte sich einst als Jungscharleiter und Ministrant, wurde Jugendleiter bei der Katholischen Jugend, spielte ein paar Jahre elektrische Gitarre in einem Quintett und denkt noch heute gern an dessen grössten Auftritt in einer Jugendmesse vor einem gut tausendköpfigen Publikum. Die Schweiz lag damals sehr weit weg.19-jährig, als Sozialpädagoge mit Berufsmatura, stieg der junge Österreicher im nächstgelegenen Heim für Kinder und Jugendliche mit Problemen ins Berufsleben ein. An einer Sitzung der Pädagogen brachte er schon bald den Stacheldraht zu Sprache, der das Areal umgab, das habe die Erziehungsleiterin «nicht cool» gefunden.Während der Ausbildung Jugendberater gewordenIn Vorarlberg lernte der junge Mann ein «sehr fortschrittliches» Heim für verhaltensauffällige Buben kennen. Aber Karlheinz Pracher, der zu drei ehemaligen Heimbewohnern aus Niederösterreich noch heute Kontakt hat, war von seiner Tätigkeit nicht restlos überzeugt. Er stellte fest, dass manche der betreuten Menschen zwar Fortschritte erzielten, ihr Wohlbefinden aber nicht dauerhaft war.Der Wunsch des jungen Pädagogen war es, früher mit der Hilfe anzusetzen, also befasste er sich im Rahmen einer Therapieausbildung mit systemischer Familienberatung. Er steckte noch tief in der Ausbildung, als er Jugendberater in Altstätten wurde, um das Gelernte anzuwenden. Karlheinz Pracher rief das Badispielfest ins Leben, organisierte eine Technoparty im Schulhaus Bild und lancierte die Petition «Musikkultur für alle». Das war, nachdem die Stadt den «Sonnen»-Saal gekauft und es geheissen hatte, Jugendliche dürften hier keine Konzerte mehr geben. Sogar der Bürgermeister aus Prachers Heimatort Loosdorf war mit seiner Band nach Altstätten gekommen und im «Sonnen»-Saal aufgetreten.Derzeit mit grossem Neubauprojekt beschäftigtHeerbrugg war die nächste und bis heute letzte Berufsstation. In einem vierköpfigen Team arbeitete der Altstätter ab 1996 bei der Sozialpsychiatrischen Beratungsstelle, gegenüber der Post in einem alten, inzwischen ersetzten Gebäude. Nebenberuflich absolvierte er eine dreijährige Zusatzausbildung in Sozialpsychiatrie in Zürich. Schon 2006 wurde er Leiter des Psy-chiatrie-Zentrums Rheintal.Inzwischen hat er das 25-Jahre-Dienstjubiläum feiern können. Karlheinz Pracher blickt auf die erfolgreiche Zusammenfassung der drei Bürostandorte des Psychiatrie-Zen-trums Linthgebiet sowie den Ausbau der Kooperation mit dem Spital Linth zurück und ist aktuell mit dem Neubauprojekt Ambulatorium Zentrum Rheintal am Heerbrugger Standort Erlen (nördlich des Bahnhofs) beschäftigt. Seit diesem Jahr ist Karlheinz Pracher Leiter der Psychiatirie-Zentren Rheintal, Werdenberg/Sarganserland und Linthgebiet.Behandlung zu den Menschen bringenObschon seit über dreissig Jahren in der Schweiz zu Hause, verheiratet mit einer Schweizerin und Vater von fünf Kindern, hat Karlheinz Pracher sich mit dem Einbürgern bis zum Jahr 2015 Zeit gelassen. Bis dahin hatte er sich für die soziale Institution Rhyboot eingesetzt, zunächst als Vorstandsmitglied, dann als Präsident. Auch für Swisscross, einen Verein für die Wiedereingliederung psychisch beeinträchtigter Menschen in die Arbeitswelt, war Karlheinz Pracher aktiv gewesen. Lächelnd meint er, dass die in der Schweiz verbrachten Jahre die in Österreich verbrachte Zeit überflügelt hätten. Umso mehr, als Sozial- und Gesundheitspolitik ihn sehr interessieren, verspürte er das Bedürfnis, auch politisch mitreden, abstimmen und wählen zu dürfen.Im Jahr seiner Einbürgerung feierte er den 49. Geburtstag so, als wäre es bereits sein fünfzigster. Er engagierte den Sänger und Songwriter Shem Thomas für ein grosses Konzert vor einem kleinen Publikum, das dem Familien- und Freundeskreis entsprach.Auch im Beruf tickt Karlheinz Pracher so. Es war ihm immer wichtig, die Behandlung zu den Menschen zu bringen, nicht umgekehrt. Denn nach Möglichkeit sei eine Behandlung vor Ort einer stationären Behandlung vorzuziehen. Karlheinz Pracher sagt: «Viel besser, als Menschen aus einem System herauszureissen, ist es, sie ihren gewohnten Alltag leben zu lassen.»