25.03.2019

Der Chef schweigt

Die Frauen von St. Gallen-Staad besiegen Worb 3:0. Der Trainer gibt keine Auskunft, dafür spricht der Assistent.

Von Beni Bruggmann
aktualisiert am 03.11.2022
Federico d’ Aloia ist Trainer bei den Frauen von St. Gallen-Staad, die gute Chancen haben, in die Nationalliga A aufzusteigen. Wer ist dieser Mann? Auf die Anfrage um einen Gesprächstermin in der Woche vor dem Spiel gegen Worb kommt vom Medienverantwortlichen die Antwort: «Der Trainer steht generell nicht für Interviews zur Verfügung.»St. Gallen-Staad spielt am Samstag auf dem Bützel. Auf der Trainerbank sieht man einen lebhaften, engagierten Trainer, der geschickte Einwechslungen vornimmt, und der gelegentlich laut flucht – auf Italienisch.Die Fragen, die ich ihm nach dem Match stellen möchte, bleiben unausgesprochen. Zum Beispiel: Claudia Stilz spurtet nach ihrem Tor zum 1:0 zur Spielerbank. Was bedeutet das? Oder: Sie rufen: «Géraldine, du bist die Schnellste in der ganzen Schweiz.» Was wollen Sie damit erreichen? Oder: Ist Torhüterin Fabienne Oertle nach der Superleistung in diesem Spiel die Nummer eins? Der Trainer steht nicht zur Verfügung.So lerne ich statt des Chefs seinen Assistenten kennen. Vor dem Spiel treffe ich Sandro Ba­rile, der seit November im Amt ist. Er gibt ausführlich Auskunft. Nur wenn es um seinen Chef geht, formuliert er knapp: «Ich kann sehr viel von ihm lernen. Er bietet ein ausgezeichnetes Training. Dabei helfe ich gelegentlich, bin aber eher im Hintergrund. Beim Match führe ich die Statistik. Meine Eindrücke gebe ich dem Trainer am nächsten Tag in einer schriftlichen Zusammenfassung weiter.»Sandro Barile, 46-jährig, arbeitet als Leiter Einkauf bei der Firma Scheitlin Verpackungen in Wittenbach. Zusammen mit seiner Frau Yvonne und den Töchtern Alessia (14) und Tatjana (11) wohnt er in Tübach. Aufgewachsen ist er in Goldach. Und dort hat er mit Fussballspielen begonnen – erst im Alter von 13 Jahren.Mit 13 Jahren erlöst ihn der Arzt: «Du darfst kicken»«Ich hatte seit Geburt einen Herzfehler», beginnt Sandro Ba­rile die Schilderung seiner Jugendjahre, «und feierte am 13. Dezember 1978 zum zweiten Mal Geburtstag. An diesem Tag wurde ich am Herz operiert. Ich hatte Glück.» Er schildert, wie er sich als Kind nicht anstrengen durfte, wie er seinen Kameraden beim Fussballspielen zuschauen musste und wie er immer Angst hatte. «Ich habe dem Tod in die Augen geschaut.» Er ist 13, als ihn der Arzt erlöst: «Sandro, du darfst Fussball spielen.»Er beginnt, weil das am wenigsten anstrengend ist, als Torhüter. Aber er will mitspielen. «Ich spielte begeistert», sagt er, «doch mein Körper war nicht bereit. Ich hatte viele Verletzungen.» Eine Fussballerkarrie­- re wird es nicht. Aber schon früh – Barile ist noch nicht zwanzig – wird er Trainer.Er beginnt bei den F-Junioren, besucht Kurse und sammelt Erfahrungen. Dann trainiert er Teams im älteren Juniorenbereich – bei seinem Stammklub Goldach und weiteren Vereinen in der Umgebung. Barile spürt, dass er junge Fussballer begeistern kann.Mit seinen Mannschaften erreicht er immer wieder Spitzenergebnisse, nicht nur im regionalen Fussball. Im Februar 2018 wird Rorschach-Goldach im Futsal Schweizer Meister in der Coca-Cola League. Ein ganz grosser Erfolg!Jetzt also ist Sandro Barile Assistent bei den Frauen in der Nationalliga B. Er hat Augen und Ohren offen, will lernen, will Erfahrungen sammeln. Dazu ist er bei Federico d’ Aloia mit seinen guten Trainings am richtigen Ort. «Ich kann sehr viel von ihn lernen», hat Sandro Barile gesagt. Aber der Chef könnte auch von seinem Helfer lernen. Zum Beispiel den Umgang mit den Medien.

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