So sieht er also aus, der beste Dachdecker der Welt. Patrick Güttinger aus Heiden ist nach seinem Sieg in Lettland bereits wieder an der Arbeit. Grade steht er auf dem Dach eines Einfamilienhauses in Grub AR. Kappe, schwere Jacke, schwarze Arbeitshose – der junge Mann ist dick eingepackt an diesem kühlen Vormittag. «In Riga war es mindestens so kalt», sagt Güttinger schmunzelnd, als er leichtfüssig über die schneebedeckten Balken des Dachstuhls nach unten steigt. Seine Wangen sind rosa von der Kälte, die Brille leicht beschlagen.Patrick Güttinger arbeitet bei der Rorschacher Firma Streule und Alder. Und er hat es geschafft. Nach dem Sieg an der Schweizer Meisterschaft 2016 in Uzwil durfte der Heidler vergangene Woche bei den Weltmeisterschaften im Steildachdecken in Lettland antreten. Zusammen mit seinem Aargauer Partner, der bei den Schweizer Meisterschaften Zweiter wurde, gewann der 23-jährige Güttinger auch in Riga Gold.Die Engländer im PechDer junge Dachdecker klingt schon fast bescheiden, wenn er von der Weltmeisterschaft erzählt. «Es war zwar die WM, aber es waren nur europäische Nationen vertreten. Und die Chinesen», sagt er ruhig. «Denn in den restlichen Ländern gibt es den Beruf Dachdecker nicht. Dort läuft das weniger spezifisch, auf dem Bau machen alle alles.» So kam die grösste Konkurrenz für das Schweizer Team aus Österreich und Deutschland. «Mit den anderen Deutschsprachigen hatten wir auch am meisten Kontakt. Der Umgang unter den Teams war sehr sportlich und kollegial.» So berichtet Güttinger vom besonderen Pech seiner Mitstreiter aus England: «Sie haben ihr Werkzeug nicht erhalten. Die Lieferung kam nicht an. Da haben wir ihnen einige Sachen von uns ausgeliehen.» Trotzdem sei der Wettkampf für das Team von der Insel damit quasi vorbei gewesen. «Sie mussten am ersten Wettkampftag zuerst noch zum Baumarkt fahren, um Ausrüstung zu besorgen.» Doch die Zeit sei ohnehin schon knapp. «Die Teams haben exakt zwei Tage à 7 Stunden und 15 Minuten Zeit, um das Modelldach zu decken.» Das sei nicht viel. «Wir waren mit Hochdruck bei der Arbeit.Es muss schnell gehen und trotzdem sauber und exakt sein.» Details fallen ins Gewicht, die Bewertung sei hart. «Ist ein Ziegel leicht schräg, ein Holz einige Millimeter zu lang oder steht an einem Ort noch etwas Klebeband ab, gibt das Abzug.» Vor allem zu Beginn sei er deshalb extrem nervös gewesen, gesteht Güttinger und lacht. «Umso grösser war die Freude, als wir es tatsächlich geschafft haben.» Nach dem Sieg sei bei Patrick Güttinger die Hölle los gewesen. «Mein Handy hat im Minutentakt vibriert. Ich bekam über hundert Nachrichten.» Nach einer gebührenden Siegesfeier im Nachtleben von Riga kehrte das Schweizer Team am Sonntagabend zurück in die Schweiz.«Empfang wie für Olympiasieger»«Am Flughafen gab es dann die grösste Überraschung», sagt Güttinger «Es wartete eine regelrechte Menschenschar, einige brachten Kuhglocken mit. Wir wurden empfangen wie Olympiasieger.» Und daheim ging das Feiern weiter: «Heute Morgen hat unser Chef dem ganzen Betrieb einen Znüni spendiert und wir durften von der WM erzählen.» Am Telefon gibt sich der Chef, Geschäftsführer Karl Streule, begeistert von seinem Schützling: «Ich kann es nicht anders sagen: Er ist eine Kanone.» Güttinger habe bei Streule auch schon seine Lehre gemacht. «So ein Sieg erfüllt uns natürlich mit Stolz, das ist nicht selbstverständlich», sagt Streule. Und was ihn besonders freue: «Patrick Güttinger hätte mit seinen Fähigkeiten problemlos das Zeug für ein Studium. Er will aber lieber seinem Beruf erhalten bleiben und macht Weiterbildungen.» Das zeige, dass der Beruf des Handwerkers nach wie vor attraktiv sei.So sieht das wohl auch Patrick Güttinger. Sein nächster Wettkampf steht schon bevor: Denn dieses Jahr hat er bei den Berufsmeisterschaften Swiss Skills in der Disziplin Fassadenbau Gold geholt, damit darf er 2020 für die Schweiz bei den World Skills in Peking antreten.Martin Rechsteiner