Wenn im Rheintal ein hochdrehender Zweitakter vorbeifährt, und selbst ausgewiesene Experten ab Gehör nicht sagen können, welcher Marke das Motorrad ist, dann sitzt der 82-jährige Altstätter Peter Meile auf dem Töff.
Sein Gefährt ist eine Rumi. Die filigranen Motorräder wurden in den 1950er- und 1960er-Jahren in Bergamo gebaut. Diese Motorräder sind heute äusserst selten. Selbst unter Oldtimer-Experten gelten Rumi-Modelle als echte Exoten.
In ihrem Heimatland Italien hat die Marke Rumi noch heute einen klangvollen Namen, was vor allem mit der aussergewöhnlichen Technik zu tun hat. Das erste Modell aus Bergamo debütierte im April 1950 auf der Mailänder Messe und erregte Aufsehen: Statt des damals üblichen Einzylinder-Viertaktmotors, bestand der Antrieb der 125er aus einem Zweizylinder-Zweitakter mit liegenden Zylindern. Auch der aufregende Zweitaktsound, der sich vom «Viertaktchor» deutlich abhob, kam beim Publikum sehr gut an.
Er restauriert die Töffs mit der Geduld des Fischers
Auch Soichiro Honda, der Gründer des weltgrössten Honda-Konzerns, war fasziniert vom kleinen Zweitakter. In seinem Büro stand eine Rennmaschine Rumi Gobbetto («Buckel»). Firmengründer Donino Rumi gab dieses Motorrad für Honda zum Nachbau frei. Die Japaner bedankten sich, indem sie Doninos Sohn Oscar Rumi in den 1980er-Jahren Werksmaschinen fürs Team Honda Rumi stellten. Mit ihnen wurde der US-Amerikander Fred Merkel («Flying Fred») 1988 und 1989 erster Superbike-Weltmeister der Geschichte.
Der Sound wie von ehemaligen 125-ccm-Grand-Prix-Rennmaschinen und der einmalige Geruch vom Benzin-Öl-Gemisch sind für Zweitakt-Fans wohltuend in der Magengegend.
Peter Meile, Seniorchef von Meile Metallbau in Altstätten, besitzt gleich sechs Rumi-Modelle. «Alle sind gelöst und fahrbereit», sagt er stolz. Dazu hat er sich über die Jahre ein grosses Ersatzteillager angeschafft – sein Sohn Christoph sagt, es sei das grösste in Zentraleuropa. Der Vater widerspricht: «Es gibt Sammler, die mehr Ersatzteile haben – ich weiss einfach, welche ich brauche.» Schon als er ein Bub war, hatten Peter Meile die Rumi-Motorräder fasziniert:
Später kaufte ich Rumi-Occasionen, stellte sie wieder instand und verkaufte sie mit kleinem Gewinn weiter.
Meile hat mit 163 cm auch die richtige Körpergrösse für die kleinen Kult-Motorräder aus der Lombardei, sie scheint fast für ihn gebaut zu sein.
Woher nimmt Peter Meile die Geduld für die Restauration und für die Ersatzteilbeschaffung dieser exklusiven Motorräder? Erstens habe er genug Zeit, weil er 2011 die Firma seinen Söhnen Christoph und Roger übergeben hatte. «Und ich bin seit 35 Jahren Hobby-Fischer. Diese Ruhe und Erholung am Kanal oder am Bach ist einzigartig. Auch wenn ich nichts fange, ist es Erholung pur», sagt er. Daher kommt also die Geduld.
Auch der Enkel hat Benzin im Blut
Christoph Meile ist der Vater von Motocross-Fahrer Ramon Meile, der am Osterwochenende in Frauenfeld mit einer Wild-Card «als überhaupt erster Rheintaler» an einem Motocross-GP und dazu sogar in der Königsklasse gestartet ist. Der Enkel hat also ebenso Benzin im Blut wie sein Opa. Der 25-jährige Ramon Meile ist gelernter Anlagen- und Apparatebauer. Er arbeitet im Familienbetrieb. Den Winter 2022/23 verbrachte er zur Vorbereitung in der Motocross-Schule des ehemaligen dreifachen französischen Motocross-Weltmeisters Yves Demaria.
Die Mutter von Ramon Meile ist Susanne Meile, geborene Zünd. Sie ist die Schwester vom Kriessner Motocross-Guru Walter Zünd. Er ist unter anderem der geistige Vater des Motocrossrennens in Oberriet, dem grössten lizenzfreien Anlass der Schweiz.