Andrea C. Plüss
An Heiligabend, es ist kurz vor 16 Uhr, trägt Susi Hutter in der Cafeteria des Alters- und Pflegeheims Rheinauen den Bewohnerinnen und Bewohnern ein Gedicht vor. Ausgewählt hat die Heimleiterin ein Gedicht, das ihre Schwiegermutter immer an Weihnachten las, erklärt sie: «Des armen Knaben Christbaum», von Karl Gerok aus dem Jahr 1865.In ihrer Funktion als Leiterin des Altersheims gestaltete Susi Hutter vor wenigen Tagen letztmals das Weihnachtsfest für die Bewohner. Gäste mussten coronabedingt fernbleiben. Auf eigenen Wunsch tritt die 60-Jährige per 1. Februar kürzer und übergibt die Leitungsaufgaben an den aus Diepoldsau stammenden Ignaz Benz. Susi Hutter möchte mehr Zeit mit Ehemann Guido verbringen, der bereits seit fünf Jahren pensioniert ist. Der Institution wird sie bis zur ihrer Pensionierung Ende April 2023 mit einem 50%-Pensum erhalten bleiben.Einschneidende Corona-erfahrungen Die wohl grösste Herausforderung während der 18 Jahre, in denen Susi Hutter im Altersheim wirkt, war und ist die Coronapandemie. «Es war ein Schock im März», sagt sie. Für Bewohner und Mitarbeiter sei die Pandemie eine einschneidende Erfahrung. Die Einrichtung war von Mitte März an für ca. drei Monate geschlossen, der Kontakt mit Angehörigen unterbunden. Kurzerhand stellte Hutter den Bewohnern iPads zur Verfügung und ermöglichte nach Absprache mit den Angehörigen die Durchführung von Videotelefonaten. Ein Musterzimmer des im Bau befindlichen neuen Zentrums Rheinauen, das sich in der Halle des alten Werkhofs befindet, wurde kurzerhand als Besucherzimmer umfunktioniert. Im November war das Heim direkt betroffen und musste für drei Wochen geschlossen werden. «Die Situation ist nicht zufriedenstellend», sagt Susi Hutter. Auch im Diepoldsauer Heim gab es Todesfälle zu beklagen, die Isolation belastete. Wöchentlich telefonierte Susi Hutter mit den Angehörigen, um sie über den Heimalltag in Coronazeiten zu informieren. «Diese Gespräche waren sehr hilfreich, so die Institutionsleiterin, «denn die Angehörigen hatten ja stets nur die Bilder, die die Medien zeigten, im Kopf.» Seit 18 Jahren wirkt Susi Hutter bereits im Alters- und Pflegeheim Rheinauen. Eingetreten war sie im August 2002 als Mitarbeiterin im Sekretariat mit einem 30%-Pensum. Gereizt habe sie der Umgang mit Menschen, den ihr die Arbeit in einem Treuhandbüro weniger ermöglichte. 36 Bewohner lebten damals im Altersheim, heute sind es 43. Mit den Worten, sie sei «einfach mitgewachsen» umschreibt Susi Hutter ihren beruflichen Werdegang im Altersheim Rheinauen. Sie absolvierte Weiterbildungen als Sachbearbeiterin Rechnungswesen, als Sachbearbeiterin Personal und besuchte diverse Führungs-seminare. Vorzuleben, was man von anderen erwartet, ist ein Leitsatz, auf den die 60-Jährige bei der Mitarbeiterführung setzt.Vielleicht noch im neuen Zentrum dabeiNachdem sie einige Jahre als stellvertretende Leiterin wirkte, bot man ihr 2013 die Institutsleitung an. 18 Jahre an einem Ort zu arbeiten, hat heute fast Seltenheitswert. In manchem Heim der Region war die Fluktuation deutlich höher. Sie dürfe sich über ein «stabiles Team» freuen, sagt Hutter, dem Respekt und Wertschätzung bei der Arbeit am Herzen liegt. Sie sagt: «Jede Arbeit ist wichtig.» Fordernd für alle sei die zunehmende Digitalisierung, die vom Pflegepersonal das Erfassen und Dokumentieren immer umfangreicherer Daten verlange. Dass die Gemeinde die Heimleitung bei der Planung des neuen Zentrums Rheinauen einbezogen hat, schätzt Hutter sehr. Läuft alles nach Plan, erfolgt der Umzug in den Neubau kurz vor Susi Hutters Pensionierung.