Sterben, Tod und Trauer gehören zum Leben. Diesem Grundsatz mag wohl kaum jemand widersprechen. Wie lange man den Verlust eines geliebten Menschen betrauern darf, darin stimmt die Gesellschaft allerdings nicht überein. Sie verdrängt gern den Tod und schwere Krankheiten. Oft folgt daraus, dass Bekannte und Angehörige eines trauernden Menschen nicht mehr über ihren Verlust sprechen möchten, obwohl er nicht überwunden ist. «Das habe ich bei meiner Mutter erlebt», sagt Peter Ernst, Spitalleiter in Altstätten und Chefarzt Innere Medizin. «Viele Leute erwarteten von ihr, fröhlich und ausgeglichen zu sein, obwohl sie es nach dem Tod ihres Mannes nicht war.»Dieses Erlebnis bestärkt Peter Ernst darin, sich auch nach seiner Pensionierung weiter in dem Team zu engagieren, das im Jahr 2017 ein Trauercafé in Altstätten initiierte. Dort können jene Menschen, die einen Verlust erfahren haben und Mitmenschlichkeit suchen, ihre Trauer in Worte fassen. Es klappte erst am Spital AltstättenSeit Peter Ernst ein Assistenzarzt war, wollte er an diversen Spitälern in Bayern ein Trauercafé etablieren. Es gelang ihm jedoch nicht, Pflegende, Seelsorgende sowie Ärzte oder Ärztinnen an einen Tisch zu holen. «Ein Pfarrer, der aus Berlin in die Oberpfalz übersiedelt war, sagte mir, er sei doch nicht in die Pampa gezogen, um freiwillig Arbeit zu leisten, die nicht bezahlt ist», sagt er. Erst als der deutsche Mediziner ans Spital Altstätten wechselte, stiess er mit seinem Anliegen auf offene Ohren. Die Spitalseelsorgerinnen Anne Heither und Marlies Schmidt-Aebi hatten ihn für eine Trauerfeier gewinnen wollen. Bis das überkonfessionelle Trauercafé zum ersten Mal öffnete, war es danach nur noch eine Frage der Zeit.Sprechen die Trauernden in der Gruppe miteinander, werden sie von den Teammitgliedern angeleitet. «Das Café ist wie eine seelische Selbsthilfegruppe zur Bewältigung der Trauer», sagt Anne Heither. Sie dient allerdings nicht als Ersatz einer Psychotherapie. Vielmehr bietet sie jenen Raum für Gespräche, den noch vor wenigen Jahrzehnten die Grossfamilie und Dorfgemeinschaft füllten. Alle Teilnehmenden sind frei, über ihre Erinnerungen an einen geliebten Menschen zu sprechen oder nur den anderen zuzuhören. Nichts von dem, was geäussert wird, unterliegt einer Bewertung. Alles bleibt vertraulich in der Gruppe. «Wir führen Menschen mit verschiedenen Erfahrungen zusammen», sagt Marlies Schmidt. Zu Beginn der Pandemie musste das Trauercafé schliessen. Ausgerechnet in einer Zeit, in der viele Menschen mit dem Tod konfrontiert und einsam waren. «Die ganze Aufbauarbeit aus drei Jahren fiel mit einem Mal ins Nichts», sagt Marlies Schmidt. Obwohl das Team wegen der zweijährigen Pause enttäuscht war, zweifelte es nie an einem Neubeginn. Im Gegenteil. Es nutzte die Zeit, um das Trauercafé breiter abzustützen und weitere an der Palliative Care beteiligten Institutionen einzubeziehen. Neu bringt das Team um Erika Ulmann (Stellenleiterin Hospiz-Dienst Rheintal) seine Erfahrungen in der Begleitung unheilbar kranker oder sterbender Menschen sowie ihrer Angehörigen ins Café ein. «Neu tragen wir das Angebot aktiv mit», sagt Erika Ulmann. «Mit uns entstehen mehr Möglichkeiten, die Menschen auch ausserhalb des Treffens zu begleiten.» «Bei der Trauer geht es nicht darum, wie lange sie dauern darf, sondern darum, ob sie da ist», sagt Peter Ernst. In der Pandemie erfuhren viele Menschen einen Verlust. «Wir möchten jene Menschen emotional nachnähren, bei denen in dieser Zeit der Trauerprozess nicht normal ablief», sagt Anne Heither. Ab Dienstag, 10. Mai, öffnet das Trauercafé jeden zweiten Dienstag des Monats (17.30 – 19 Uhr) im Haus Viva (Aktivierungsraum im Neubau) in Altstätten.