31.08.2020

Den Herzschmerz in den Sand gebaut

Die holländischen Sandskulpturkünstler Wilfred Stijger und Ludo Roders blicken sehnsuchtsvoll nach Rorschach.

In diesen Tagen würden gewöhnlich Tausende von Besuchern anreisen und die Werke der Sandskulpturprofis auf der Arionwiese bestaunen. Dabei gewesen wären auch die mehrfachen Sieger Wilfred Stijger sowie Ludo Roders. Aber das diesjährige 22. internationale Sandskulpturen-Festival ist der Pan-demie zum Opfer gefallen.Gut 10 000 neugierige Besucher kamen vergangenes Jahr nach Rorschach, um Kunstwerke wie «Need a hand?», «Wo bist du, Zukunft?» oder «Turn a page» beim 21. Sandskulpturen-Festival in Rorschach zu bestaunen. Sieben Tage lang errichten hier jeweils kreative Köpfe aus aller Welt prächtige Sandfiguren.Das hätte das Künstlerpaar Wilfred Stijger und Edith van de Wetering auch dieses Jahr beim 22. internationalen Sandskulpturen-Festival in Rorschach erwartet. Stijger ist traurig, nicht hier zu sein, aber nicht überrascht. Er habe von Anfang an wenig Hoffnung gehabt, dass eine Durchführung des Festivals unter den schwierigen Umständen geklappt hätte. Als er die Mails des Veranstalters und seines langjährigen Freundes Urs Koller bekam, hat er Verständnis gezeigt. Besonders die unsichere Lage bezüglich der Grenzschliessungen hat die Veranstaltung verunmöglicht.Der international bekannte Künstler Stijger hat schon viele Länder gesehen. Rorschach gehört zu seinen Lieblingsorten: «Ich vermisse die Reise, die Menschen, die Witze, sogar die Wasserfontäne. Mein Herz ist in Rorschach.» Normalerweise hasse er die Fontäne, sagt er, weil der Wind deren Wasser an Land wehe und das beim Bau der Skulptur störe.Viele künstlerische Freiheiten in RorschachWilfred Stijger ist schon seit Jahren unter den auserwählten Teilnehmern des Festivals. Darum sei in Rorschach für ihn eine Art Tradition entstanden, zum Beispiel der Gang zur Käse- und Weindegustation. Weiter schwärmt er, am Wettkampf in Rorschach könne er sich anders als an anderen Wettbewerben ausleben. Dies hänge mit Veranstalter Urs Koller zusammen. Stijger bezeichnet ihn als eine Art Bruder. Aufgrund seines künstlerischen Hintergrundes sei Koller flexibel und lebe die Laissez-faire-Kultur: «Er respektiert und versteht unsere Ideen», sagt Stijger. Wilfred Stijger steckt nun die ungewollt gewonnene Zeit in ein anderes Projekt. Er baut an seinem eigenen Studio und kommt gut voran. Dies sei für ihn ein kleiner Trostspender. Überhaupt sieht Stijger die Situation positiv: «Wir sollten jetzt besonders bewusst leben, dankbar sein und schätzen, was wir haben.» Diese Botschaft hätte er in Rorschach mit seiner diesjährigen Skulptur vermitteln wollen. Auch die holländische Künstlerin Ludo Roders, die seit 14 Jahren an der Veranstaltung teilnimmt, schwelgt in Erinnerungen an Rorschach: «Ich bin untröstlich. Mir fehlen die Menschen, die Zeit hier und die Stadt selber.»«Maaszinnig» hätte auch in Rorschach stehen könnenMit den Gedanken ganz in Rorschach und beim Festival hat sie am Strand der Stadt Vlaardingen in der Nähe von Rotterdam deshalb eine Skulptur gebaut: Die Figur hätte auch in Rorschach stehen können, sagt Roders. Das Werk trägt einerseits den Titel: «Der Horizont wird Dir zeigen, was in der Zukunft liegt». Damit möchte die Sandkünstlerin auf neue Möglichkeiten aufmerksam machen. Die Skulptur heisst aber auch «Maaszinnig». Das Wort setzt sich zusammen aus dem Namen des Flusses «Maas», der im Hintergrund der Skulptur zu sehen ist, sowie dem Wort «waanzinnig» (wahnsinnig).Ein Frauenkopf mit langen, gewellten Haaren, die das Wasser darstellen: Die Sandskulptur wird eins mit ihrer industriellen Umgebung. Auf dem Kopf sitzt ein Vogel, auf den Haarspitzen liegt ein Boot. Sie passen zu Möwen und Frachtern, die vorbeifliegen und vorbeifahren. (akö)

Abo Aktion schliessen
News aus der Region?

Alle Geschichten, alle Bilder

... für nur 12 Franken im Monat oder 132 Franken im Jahr.