25.10.2020

Den Berufswahlprozess entschleunigen

Die Arbeitsgruppe Schuwi will, dass Lehrstellen später vergeben werden. Sie erarbeitet ein regionales Konzept.

Von Monika von der Linden
aktualisiert am 03.11.2022
Der Arbeitgeberverband Rheintal und die Rheintaler Oberstufenschulen wollen erreichen, dass der Druck, so früh wie möglich einen Lehrvertrag unterzeichnen zu müssen, abgebaut wird. Damit gute Ideen nicht im Sande verlaufen, gründete die Arbeitsgruppe Schuwi (Schule – Wirtschaft) ei­ne Kerngruppe. Im Auftrag der Rheintaler Oberstufenschulen erarbeitet sie ein regionales Berufswahlkonzept. Neu ist, dass es breiter abgestützt sein wird als bisher. Neben Schulen und Wirtschaft sollen auch Gewerbe-, Gesundheits- und Dienstleistungsbetriebe sowie die Kantonsschule einbezogen werden.Die Kerngruppe stellte ihre «Vision», erste konkrete Schritte und weitere Ideen am Donnerstagabend einem grösseren Kreis vor und zur Diskussion. Tagespraktika sollen ob sofort jeweils im Dezember und Januar durchgeführt werden, erst dann folgen Schnupperlehren und später soll eine Web-Plattform alle Akteure vernetzen.Bisherige Anläufe fruchteten nichtNoch vor einigen Jahren war es im Rheintal üblich, Lehrverträge für das Folgejahr nicht vor dem 1. November zu unterzeichnen. Folglich waren alle an der Berufswahl junger Menschen Beteiligten orientiert, in welchem Zeitrahmen dieser ablaufen soll. Immer weniger Unternehmen hielten sich an dieses Datum. Das Bemühen um die Gunst qualifizierter Lehrlinge geriet in den Vordergrund. Der Stichtag weichte auf und verschwand schliesslich. Lehrverträge werden oft schon zu Beginn der zweiten Oberstufe unterzeichnet.Der Druck und die Unzufriedenheit stiegen. Die Politik versuchte mit einem (gescheiterten) Vorstoss, das Datum wieder nach hinten zu schieben. Auch der Arbeitgeberverband Rheintal musste eingestehen, dass sein «Credo Fairplay», Lehrstellen erst ab dem 1. September zu vergeben, nicht fruchtete. Zu wenige Unternehmen hatten sich beteiligt.Sandro Hess, Schulleiter der Oberstufe Altstätten, berichtete aus Sicht der «Lieferanten» der angehenden Lernenden, warum eine gewisse Unzufriedenheit aufkam – und diese zur Bildung der Kerngruppe führte. Die Wirtschaft hatte die Schulen mit Informationen und Veranstaltungsangeboten regelrecht überflutet. «Zum Unmut der Lehrer kam jener der Eltern. Der Unterricht in der zweiten Oberstufe war von der Berufsorientierung dominiert», sagte Ivo Riedi (Leiter Berufsbildung SFS Group). Die Berufswahl solle strukturiert und verlangsamt werden.Im künftigen regionalen Be­rufswahlkonzept sollen bewährte Elemente (OBA-Besuch, Berufsevent und Hausmessen, Schnupperangebote der Kantonsschule) des Netzwerkes übernommen und die «totale Überflutung» gestoppt werden. Zum Beispiel wird der Berufsevent von Chance Industrie Rheintal zu einer Regionalmesse mit allen Akteuren ausgebaut. Weiter erachtet es die Kerngruppe als sinnvoll, dass mit einigen Ausnahmen alle Hausmessen zeitgleich stattfinden. «Eltern und Schüler können kursieren», sagte Ivo Riedi.Eine erste Regel tritt per sofort in Kraft. Sie betrifft Tagespraktika und Schnupperlehren. Tagespraktika bieten Jugendlichen die Chance, innert weniger Stunden auszuloten, ob ein Beruf grundsätzlich ihren Vorstellungen und Neigungen entspricht. Die Praktika finden in der Regel von Mitte Dezember bis Ende Februar im zweiten Oberstufenjahr statt und sind auf den Mittwochnachmittag beschränkt.Die in einem Tagespraktikum gewonnenen Erkenntnisse vertiefen die Jugendlichen im zweiten Semester des gleichen Schuljahres mit einer zwei- bis fünftägigen Schnupperlehre. Das Ziel der Reihenfolge und der zeitlichen Begrenzung ist, den Aufwand der Betriebe und die Unruhe in der Schule zu reduzieren. Betriebsbedingte Ausnahmen sind möglich.Alle Akteure mit Webplattform vernetzenWeiter schwebt der Kerngruppe vor, eine Webplattform zu etablieren. Auf ihr hinterlegen die Jugendlichen ihr Profil. Es enthält Angaben über ihre Interessen, Neigungen und Stärken. Unternehmen und die Kantonsschule präsentieren sich und ihre Ausbildungsangebote.Die Plattform soll es erleichtern, die Neigungen und Lehrstellen in Beziehung zu stellen: Welcher Jugendliche passt zu einem Betrieb, welcher Betrieb bietet einem Jugendlichen die optimale Ausbildung? Wie die Website konkret aussehen wird, ist noch nicht definiert, wohl aber die Anforderungen an den Datenschutz. Er muss gewährleistet sein.Claude Stadler (Vorstandsmitglied AGV Rheintal und SFS Group) zog zum Schluss des Anlasses ein positives Fazit. «Die in der Runde angesprochenen Detailfragen zeigen, die Kerngruppe kann den eingeschlagenen Weg Schritt um Schritt weitergehen. In Richtung einer regionalen Berufsplattform.»

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