06.02.2022

Dem Tod von der Schippe gesprungen

Claudia Meier fuhr mit dem Auto, als sich ihr Leben schlagartig veränderte. Sie verlor das Bewusstsein und schlitterte knapp am Tod vorbei. Jetzt wurde der 37-jährigen Kriessnerin ein Defibrillator implantiert, der im Notfall einen Elektroschock abgeben und ihr Leben retten kann.

Von Benjamin Schmid
aktualisiert am 02.11.2022
«Da ich während des Autofahrens bewusstlos wurde, kann ich mich an nichts mehr erinnern», erzählt Claudia Meier. Gemäss Bericht der Kantonspolizei St. Gallen fuhr das Auto 100 Meter über eine Wiese, bevor es durch ein Brückengeländer gestoppt wurde. Nur dank der Hilfe anderer Autofahrer wurde Claudia Meiers Leben gerettet. Eine junge Frau reanimierte sie, bis schliesslich die Rettung eintraf. Von dieser wurde sie mehrfach defibrilliert und anschliessend ins Kantonsspital St. Gallen geflogen.«Ich hatte sehr viel Glück», sagt die Kriessnerin. In solch einer lebensbedrohlichen Situation zählt jede Minute. Ursache war eine Herzrhythmusstörung, die ein Kammerflimmern auslöste, das dann zum Kreislaufstillstand geführt hatte. «Es ist kaum zu glauben, innerhalb weniger Sekunden kann man ohne Vorzeichen tot umfallen», sagt Claudia Meier, «manchmal kann ich es bis heute nicht richtig begreifen, was in den letzten Wochen alles passiert ist.»Grosses Vertrauen in kleines GerätAuch an die ersten beiden Tage im Spital habe sie keine Erinnerungen mehr. Sie sei noch eine Weile neben der Spur gewesen und konnte sich nichts Neues merken. Gut eine Woche nach dem lebensverändernden Vorfall wurde ihr am 12. November 2021 in einer rund einstündigen Operation ein implantierbarer Cardioverter-Defibrillator (ICD) eingesetzt. Die Mutter zweier Kinder war während der Operation wach, hat mit dem OP-Team geredet und den Defi anschauen können, bevor er unter ihrer Haut verschwand. Alles habe bestens geklappt und die Narbe sei inzwischen schön verheilt. Von aussen sehe man das Gerät kaum. «Der Defi ist jetzt ein Teil von mir und wird mich mein Leben lang begleiten», sagt die Sachbearbeiterin, «ich habe grosses Vertrauen in dieses kleine Gerät.» Nach zwei Wochen im Spital ging es bis kurz vor Weihnachten in die Reha.Autofahren ist nach der Implantation für drei Monate tabu und im Alltag darf sie Körperfettmesswaagen nicht mehr benutzen. Ausserdem soll sie in Geschäften nicht beim Ein- oder Ausgang in der Diebstahlsicherungen stehen bleiben, da der Defibrillator einen Alarm auslösen könnte. Sonst darf sie ihr gewohntes Leben wieder aufnehmen: Sport treiben, auf Reisen gehen und arbeiten. Claudia Meier hat einen Ausweis erhalten, in dem aufgeführt ist, dass sie Defi-Trägerin ist. Bei einem medizinischen Notfall wissen die Ärzte Bescheid und bei der Sicherheitskontrolle an Flughäfen, wird sie nicht mit einem Metalldetektor untersucht.Tage, an denen man zu viel studiert«Ich muss wieder lernen, meinem Körper zu vertrauen», sagt die Kriessnerin, «sobald ich etwas mache, was meinen Herzschlag beschleunigt, habe ich manchmal Angst, dass wieder etwas passieren könnte.» Anfangs sei sie nicht gern allein gewesen. Ausserdem gibt es Tage, an denen sie zu viel studiere: Was hätte alles passieren können, was wäre, wenn ... Sie versucht, sich diesen Gedanken nicht hinzugeben, wobei ihr ihre positive Lebenseinstellung geholfen habe, das Ereignis zu verarbeiten. Trotzdem fehle ihr der Austausch mit Gleichgesinnten: «Ich wäre so froh, wenn ich jemanden fände, der Ähnliches durchgemacht hat», sagt die 37-Jährige.Seit dem Vorfall versucht sie, sich nicht mehr über Kleinigkeiten zu ärgern oder unnötig Energie zu verschwenden. Der Moment, als sie zur Familie zurückkehren durfte, sei unbeschreiblich gewesen, und sie empfand tiefe Dankbarkeit. Ausserdem freut sie sich jeden Morgen, aufstehen zu dürfen. «Ich möchte meine Energie und Gedanken auf das Schöne und Gute lenken und versuche, in jeder Situation das Positive zu sehen», sagt Claudia Meier.Persönliches Treffen mit der Lebensretterin geplant Besonders während der Reha hätten ihr die guten Wünsche, lieben Worte und lustigen Überraschungen von der Familie, von Freunden und Nachbarn das Leben erleichtert. Nach dem anfänglichen Schock und der Unwissenheit, wie sie die Reanimation verkraften würde, waren alle sehr beruhigt, als sich schnell Fortschritte zeigten. Trotzdem sei es vielen bewusst geworden, dass auch sie an ihrer Stelle hätten sein können. Sie fingen an, sich Gedanken zu machen: Wie läuft die Reanimation korrekt ab und wie funktioniert ein Defibrillator? Eine Freundin habe extra einen «Auffrischungs- Nothelfer-Kurs» organisiert, für den sich viele Bekannte angemeldet hätten. «So hatte mein Unfall doch etwas Gutes», sagt die Optimistin.Sie hat viele Pläne, die sie noch verwirklichen möchte, wünscht sich Gesundheit und immer genug Zeit für all ihre Liebsten. «Ein Herzenswunsch ist es, bald meine Lebensretterin zu treffen und mich persönlich zu bedanken», sagt Claudia Meier.Implantierbarer Cardioverter-Defribillator (ICD)Seine Geschichte ist verhältnismässig jung: 1980 implantierten Mediziner den ersten ICD – aufgrund seiner Grösse und mit einem Gewicht von 300 Gramm im Bauchraum. Heute sind die Geräte klein wie Feuerzeuge und passen meist unterhalb des Schlüsselbeins in eine Hauttasche. Angeschlossen an das Aggregat sind eine oder mehrere Elektroden, die in die rechte Herzkammer implantiert werden und dort die Stromimpulse abgeben. Der ICD überwacht ständig den elektrophysiologischen Zustand des Herzens, erkennt und beendet Herzrhythmusstörungen und schützt somit vor Herztod.  

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