24.02.2022

Das Wort war ihr fester Halt und Heimat

Vera Bauer zeichnete das Leben der deutschen Lyrikerin Hilde Domin nach.

Von Max Pflüger
aktualisiert am 02.11.2022
Vera Bauer ist bei der Rheintalischen Gesellschaft für Musik und Literatur keine Unbekannte. Bereits im Februar 2013 begeisterte sie mit ihrem musikalischen Bild von Hermann Hesse die Mitglieder. Am vergangenen Mittwochabend zeichnete Bauer in Wort und Ton, durch Texte und auf dem Cello ein packendes, sehr persönlich gefärbtes Lebensbild der deutschen Lyrikerin Hilde Domin.Hilde Domin wurde am 29. Juli 1909 als Hildegard Dina Löwenstein, Tochter eines jüdischen Advokaten geboren. Während des Zweiten Weltkriegs lebte sie mit ihrer Familie und ihrem Ehemann Erwin Walter Palm im über viele Umwege gefundenen Exil in Santo Domingo in der Dominikanische Republik. Dieses Schicksal und der Tod ihrer Mutter 1951 waren für sie prägend. Hier begann sie zu schreiben und nannte sich nach dem Namen ihres Exilortes fortan Hilde Domin. Ein Rückkehrstipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes ebnete dem Paar im Februar 1953 den Weg zurück nach Deutschland, zurück in die Heimat ihrer Sprache.Die Lyrikerin Hilde Domin war sehr erfolgreich. Sie veröffentlichte mehrere Gedichtbände, autobiografische Texte, einen Roman sowie soziologische und literaturtheoretische Essays. Ihre Gedichte wurden in nahezu dreissig Sprachen übersetzt, sie selbst mit vielen Preisen geehrt. 2005 wurde sie mit dem höchsten Orden der Dominikanischen Republik ausgezeichnet. Vera Bauer verstand es, das Wesen dieser starken Frau in einem grossartigen Gesamtbild nachzuzeichnen. Prosatexte und Zitate aus ihrer bilderstarken Lyrik wusste sie mit kurzen Klangcollagen und gefühlsstarken Celloklängen zu verbinden.Mit dichten Disharmonien und sonoren, tiefen Klangwolken zeichnete Bauer die Schrecken und Ängste der vor dem Holocaust geflohenen Juden nach. Mit hellen, fast tänzerischen Melodiefragmenten die Hoffnung auf eine bessere Zukunft, auf Glück, Liebe und Menschlichkeit in den Jahrzehnten nach dem Krieg. Die starken Worte von Hilde Domin, welche nur allzu schnell in der Bernecker Kirche verhallt waren, gewannen damit an emotionaler Tiefe. Ergriffen lauschte das Publikum, das auch in den Denkpausen zwischen Sprache und Musik andächtig ruhig verweilte. Besinnlich und still erlebte das Publikum die anspruchsvolle, bisweilen auch recht schwere Kost, die aber trotz allem gut verträglich war, denn Hilde Domin ist an den Schlägen ihres Schicksals nie zerbrochen: «Ich hatte auch nach dem Tod der Mutter das Wort und ich ging heim in das Wort, zurück zum deutschen Wort. Ich ging heim.»Vielleicht wurde der eine Besucher oder die andere Zuhörerin von der vielseitigen Lebensschilderung der starken Frau angeregt, sich Texte von Domin zu beschaffen und im Nachlesen wachsen und wirken zu lassen. Oder mit den mahnenden und zukunftsweisenden Worten der Dichterin: «Geh nicht als ein Erlöschender in das Erlöschen. Brenne! Brenne! Wir sind Fackeln, mein Bruder. Wir sind Sterne. Wir sind Brennendes.»

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