18.06.2019

«Das schönste Gefühl in meinem Leben war, als ich keine Brüste mehr hatte»

#Talkday: Noah wurde im Körper einer Frau geboren und ist Teil der LGBT-Community (Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender). Anlässlich des Pride-Month, der für Gleichberechtigung steht und Menschen animiert, stolz auf ihre sexuelle Orientierung oder ihr Geschlecht zu sein, spricht der Transmann über seine Erfahrungen.

Von at
aktualisiert am 03.11.2022
Name: Noah Alter: 18 Wohnort: Staad Beruf: FMS-SchülerWann hast du gemerkt, dass dein Äusseres nicht mit deinem Inneren übereinstimmt? Unbewusst schon immer. In mir war seit jeher das Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmt, da ich mich in meinem Körper und meiner Rolle als Mädchen nie zurechtgefunden habe. Jedoch war ich zu jung, um zu erkennen, was es war. Je mehr ich dann in der Pubertät in den weiblichen Körper hineingewachsen bin, desto mehr habe ich ihn abgestossen. Als ich zwölf Jahre alt war, habe ich dann auf meinem ersten Handy etwas recherchiert und herausgefunden, dass es sogar einen Namen dafür gibt, wie ich mich fühlte. Ab da habe ich mich mehr mit dem Thema beschäftigt und mir immer wieder die Fragen gestellt: «Willst du das wirklich? Bist das wirklich du?»Wie war dein Coming-out? Angefangen, mich zu outen, habe ich mich 16 Jahren. Vorher habe ich mich niemandem anvertraut. Klar war meine Familie zu Beginn etwas geschockt und ich denke, dass das für Eltern nie leicht ist. Sie haben eine Zeitlang gebraucht, um das zu verarbeiten und sich ins Thema zu finden. Jetzt gehen sie aber mit mir zusammen diesen Weg und unterstützen mich voll und ganz. Meine Freunde haben es voll locker aufgenommen und gesagt: «Solange du glücklich bist, unterstützen wir dich.» Für die meisten war es irgendwie schon klar, dass ich ein Mann bin, da sich mein Verhalten und meine Interessen meinem Geschlecht angepasst haben. Sie sagten, dass es für sie noch klarer wurde, als ich mit 14 Jahren meine Haare kurz geschnitten habe.Wie hat deine Schule reagiert? Sie haben mich unterstützt und mir sogar eine eigene Garderobe und ein eigenes WC zur Verfügung gestellt. Auch die Änderung des Namens war kein Problem.Welche Herausforderungen stellten sich dir vor/während deines Coming-outs? Sicher, dass ich allen erklären musste, was läuft und geht. Auch in banalen Situationen, wie in einen Club zu kommen und die ID zu zeigen, musste ich mich immer erklären. So einen Weg einzuschlagen, braucht viel Mut und das ist auch nicht leicht für die Psyche. Ich brauche immer wieder etwas Zeit für mich selbst.Hast du Diskriminierungserfahrungen im Alltag gemacht? Nein, eher nicht. Ich werde ziemlich gut aufgenommen, so wie ich bin. Das könnte eventuell daran liegen, dass ich offen mit dem Thema Transgender umgehe. Es ist mir egal, was die Leute denken, solange sie mich einfach leben lassen. Was hinter meinem Rücken geredet wird, weiss ich nicht, aber das ist mir auch egal.Hattest du schon geschlechtsangleichende Operationen? Letzten Herbst habe ich meine Brüste wegoperieren lassen. Das war das schönste Gefühl und das geilste Erlebnis in meinem Leben! Man muss sich vorstellen, man lebt die ganze Zeit in einem Körper, den man nicht annehmen kann und hat Brüste, die man abstösst und dann kann man auf einmal oben ohne rumlaufen. Weitere Schritte habe ich noch nicht geplant, das mache ich, wenn ich älter bin.War es eine grosse Umstellung, einen anderen Namen zu haben? Für mich nicht, für andere schon eher. Mehr Probleme hatten die Leute mit den Pronomen, wie «er» oder «sie». Das hat eine Weile gedauert, bis sich die Menschen daran gewöhnt hatten.Wie, findest du, gehen die Leute im Rheintal mit dem Thema Transgender um? Ich finde, ganz gut. Klar gibt es immer Leute, die nicht viel damit anfangen können. Das darf es auch geben, man muss nicht immer alles akzeptieren.

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