17.12.2019

Das Mautproblem, das keines ist

Seit Sonntag sind Teile der Rheintalautobahn A14 von Hörbranz bis Hohenems nicht mehr vignettenpflichtig.

Von Christoph Zweili
aktualisiert am 03.11.2022
Reisebusse, Lastwagen, ein Flixbus mit deutschem Nummernschild, Autofahrer mit St. Galler, Bregenzer, Dornbirner und Feldkircher Kennzeichen überqueren den Grenzübergang Diepoldsau–Hohenems in beide Richtungen. Der Verkehr fliesst ruhig am frühen Montagmorgen. Das befürchtete Chaos im Berufsverkehr ist ausgeblieben.Wer von der deutschen Grenze über Hörbranz nach Hohenems fährt, um hier auf die A13 zu wechseln, braucht seit Sonntag keine Vignette mehr für diese A14-Teilstrecke (Ausgabe vom 7. Dezember). Die Absicht, die dahintersteckt: Bleiben die Autofahrer auf der Autobahn, wird der Grossraum Bregenz vom Verkehr entlastet.Davon wissen die am Zollamt Diepoldsau befragten deutschen Tagestouristen freilich noch nichts: Sie haben wie stets eine Vignette gekauft. Noch bis Mitte Woche wird es dauern, bis die Schilder «A14 Staatsgrenze Hohenems, Ausfahrt 23» mit dem durchgestrichenen Vignettenzeichen an der Autobahn angebracht sind.A14: Einmal mautfrei, einmal nichtWenn alles so ruhig bleibt, woher rührt denn die Aufregung über die Aufhebung der Mautpflicht? Einheimische im kleinen schweizerisch-österreichischen Kiosk an der Grenze, wo auch die Grenzbeamten geduzt werden, sprechen von einem «Schwarzpeterspiel». Bregenz werde zwar mit der Vignettenbefreiung entlastet, dafür würden andere Gemeinden belastet. Gegner der Befreiung sind nicht nur die Vorarlberger Grenzgemeinden Hohenems, Lustenau und Altach, die zusätzlichen Verkehr befürchten, wenn bei ihnen die Auto- und Lastwagenfahrer vermehrt auf die A13 auf Schweizer Seite wechseln, sondern auch Gemeinden im Oberland, die durch die aus ihrer Sicht ungleiche Behandlung nun Nachteile für den Tourismus befürchten. Sie fordern zusammen mit den Schweizer Grenzgemeinden Diepolds­au und Oberriet die Wiedereinführung der Maut.«Finden wir einen wegen der Mautpflicht an der A14 gebüssten Autofahrer, streben wir wegen Ungleichbehandlung eine Klage am österreichischen Verfassungsgerichtshof an», kündigt der Lustenauer Bürgermeister Kurt Fischer an. Der 56-jährige Politiker ärgert sich grün und blau über die «Hauruck-Aktion» des ­­österreichischen Nationalrats. 25000 Privatautos und 3000 Lastwagen führen in Lustenau täglich «mitten durchs Wohnquartier». Für Fischer ist die Situation bei der Autobahn-Verbindung Tirol–Kufstein «eine ganz andere als in Vorarlberg». Die Mautbefreiung sei quasi eine Einladung: «Liebe Deutsche, fahrt doch mautfrei durch Diepoldsau oder Lustenau, wenn ihr in Richtung Schweiz wollt. Das ist purer Blödsinn.»Täglich 21'000 Fahrzeuge in DiepoldsauAuf Schweizer Seite ist der Ton gemässigter. Andreas Kästli, Kantonsingenieur-Stellvertreter, ortet in Diepoldsau ein «grosses Pendlerproblem in Spitzenzeiten». Seitens des Kantons wolle man vorerst die Testphase der Mautbefreiung mit dem Vorarlberger-Monitoring bis Februar 2021 abwarten, bevor Massnahmen ergriffen würden. Mit täglich 21'000 Fahrzeugen auf der Hauptachse bei der Rheinbrücke und 11'000 beim Zollamt sei man schon heute «an der Belastungsgrenze». «Diese Situation ändert sich nicht von heute auf morgen.»Kasten:Bund will die Lage beobachtenDie Diskussion um die Mautbefreiung in Vorarlberg hat auch das Schweizer Bundesparlament erreicht. Der St. Galler SVP-Nationalrat Roland Rino Büchel wollte vom Bundesrat wissen, welche Folgen er für den Verkehr im Rheintal erwarte und was er in dieser Sache unternehme. Am Montagabend hat die Regierung die Fragen beantwortet: Sie geht davon aus, dass die Vignettenbefreiung «wenn überhaupt, nur geringfügige Auswirkungen» auf das Verkehrsaufkommen auf der Schweizer Seite haben werde.  Auch an den Autobahnausfahrten Widnau, Kriessern und Au seien keine vermehrten Staus zu erwarten. Der Bund beobachte die Situation im Rheintal «aufmerksam» und werde bei Bedarf weitere Schritte prüfen. Die Antwort kommt bei Büchel schlecht an. «So geht es nicht», ärgert er sich. Dass der Bundesrat das Problem nicht ­erkenne, zeige, «wie weit weg Bern vom Rheintal ist». Die Behörden hätten es jahrzehntelang verschlafen, die Verbindung der beiden Autobahnen im St. Galler Rheintal und in Vorarlberg voranzutreiben – mit negativen Folgen für die Dörfer beidseits der Grenze. Es sei jetzt Zeit, dass es diesbezüglich vorwärtsgehe.  Büchel will dem Bundesrat schon bald weitere Fragen zum Thema stellen. Er plant eine Interpellation, spätestens für die Frühjahrssession 2020. (av)

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