17.04.2018

Das Leben als Knäuel und Fächer

Die Künstlerin Ruth Erat, ehemals SP-Gemeinderätin in Rheineck und Kantonsrätin, zeigt in der Galerie vor der Klostermauer in St. Gallen den Menschen in skizzenhaften Studien der Körperlichkeit.

Von Dieter Langhart
aktualisiert am 03.11.2022
Dieter LanghartErstaunlich, wie viel Poesie auf Papier in der wohl kleinsten und engsten Galerie St. Gallens Platz findet. Raum zu schauen hatte nur, wer früh kam zur Vernissage am Freitag oder länger blieb. Er wurde reich belohnt mit Installationen, Malerei und Skizzen, die sich der flüchtigen Betrachtung verwehren.Ruth Erat betrachtet die Absurditäten des Lebens mit einem leisen Humor. Schon der Titel ihrer Ausstellung «( . . .) oder kann das (. . .)» erinnert an museale Missgeschicke wie Beuys’ beim Putzen versehentlich weggewischte Fettecke: Ist das Kunst oder kann das weg? Auch zwei buchartigen Leporellos im oberen Stock hat Ruth Erat diesen ironischen Titel gegeben. Und den sich zusammenknäuelnden und entwirrenden Textstreifen mit 3660 Dreizeilern – zehn Jahre hat die Künstlerin jeden Tag einen verfasst: (03.336) Am Ende versteht keiner. Dennoch fragen. Endlos. Einige davon hat sie auf einen Besen drapiert, andere zum Mitnehmen auf einen Hocker gelegt. Das Leben als Knäuel und als Fächer. Ruth Erat sei ein Allround- und ein All-in-one-Talent, sagte Ursula Affolter in ihrer klugen und einfühlsamen Rede. Sie kennt die Künstlerin seit dreissig Jahren, weiss, dass sie als Kind schon malte und Geschichten erfand und sie illus­trierte. Ruth Erat sei fasziniert davon, wie das Metaphysische sich in physischen Momenten und in der Bewegung zeige, wie der Schatten des Verfalls stets da sei. «Das ist keine vordergründige oder dekorative Malerei», sagt Ursula Affolter.Rote und blaue Töne überwiegen in Ruth Erats Bildern und Akten: manchmal kräftig, dann wieder hauchzart. Menschen und Tiere tanzen in skizzenhaften Studien der Körperlichkeit über die Leinwand: reduziert, angedeutet, oft einander über­lagernd. Denn ihr Verhältnis scheint nicht unbelastet – in einem Bild scheint ein Käfer vor einem Mann zu fliehen. Hier ist Geborgenheit spürbar, da Entfernung.So viel Raum ist in Ruth Erats oft mehrteiligen Bildern, gerade in den Werkgruppen «Das weite Feld» und «Die weiten Plätze».Den Streifen 08.176 habe ich mitgenommen: Das Kinderspiel: Wir sind Piraten, wir sind gestrandet, wir haben Untiere abzuwehren, wir retten uns selbst.HinweisRuth Erat: ( . . .) oder kann das (. . .), Galerie vor der Klostermauer, St. Gallen; bis 6. Mai.

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