Als die Coronapandemie die Schweiz erreichte und im März vor einem Jahr der Lockdown verhängt wurde, begann Thomas Pfeifer regelmässig und in kürzeren Intervallen im Mitteilungsblatt der Gemeinde auf das Angebot der Budget- und Schuldenberatung der Sozialen Dienste Au aufmerksam zu machen.Etwa 25 bis 30 Klienten mit finanziellen Problemen betreute der Bereichsleiter Soziale Dienste zusammen mit seiner Kollegin Belinda Locher im vergangenen Jahr. Er sagt: «Die Zahlen gehen definitiv nach oben.» 50 Prozent der Sozialberatung entfallen bei den Sozialen Diensten Au im Moment auf die Schuldenberatung. Ob der Anstieg auf coronabedingte finanzielle Engpässe zurückzuführen sei oder ein Ergebnis des höheren Bekanntheitsgrads des Beratungsangebots, lässt Pfeifer offen.Einkommen reicht oft nicht für den LebensunterhaltManche hätten sich noch einige Monate mit Unterstützung vonseiten der Familie oder Freunden durchgehangelt, bis die Betroffenen dann irgendwann den Weg in die Schuldenberatung fanden.«Die Hemmschwelle, hierher zu kommen, ist hoch», sagt der Sozialarbeiter. Die Klientel reicht von Alleinlebenden bis zur Familie mit drei Kindern, überwiegend aus der Altersgruppe der 30- bis 60-Jährigen. Handelt es sich um finanzielle Not in Zusammenhang mit Corona, können Gelder aus der Coronahilfe des Bundes beantragt werden, auch Stiftungen werden angefragt. «Die sozialen und finanziellen Auswirkungen von Corona werden sich erst in den nächsten Monaten oder Jahren zeigen», ist Thomas Pfeifer überzeugt.Auch die Sozialen Dienste Mittelrheintal (SDM) verzeichneten 2020 eine Zunahme der Anfragen für eine Budget- oder Schuldenberatung. «Es zeigte sich, dass es für immer mehr Personen/Familien schwierig wird, mit ihrem Einkommen den Lebensbedarf zu decken», schreibt Andrea Zeller, Bereichsleiterin Beratung, Familie, Soziales, Sucht, im kürzlich erschienenen Jahresbericht der SDM.41 Familien aus den Trägergemeinden Widnau, Diepoldsau, Balgach und Berneck sind im vergangenen Jahr mit einmaligen Geldzahlungen im Rahmen der Sammlung «Familien in Not» unterstützt worden, was «einer Zunahme von rund 25 % gegenüber dem Vorjahr entspricht», ist dem Jahresbericht der SDM zu entnehmen. Durch diese punktuelle Hilfe habe insgesamt und im Besonderen «auch bei Personen in Kurzarbeit eine Entspannung der finanziellen Situation» erreicht werden können, heisst es weiter. Eine Budgetberatung und Sachhilfe der SDM nahmen im vergangenen Jahr 32 Klienten in Anspruch; im Jahr 2019 taten dies 23, im Jahr 2018 insgesamt 19 Klienten.Corona-Auswirkungen mit Zeitverzug erwartetDie Situation bei den Sozialen Diensten Oberrheintal (SDO) stellt sich mit Blick auf 2020 anders dar. Budget- und Schuldenberatung seien mit 81 Einzelberatungen auch 2020 sehr gefragt gewesen, so Geschäftsführer Pascal Stahel. Dennoch sei ein Rückgang, wohl aufgrund der Lockdownphase, zu verzeichnen. Die Klienten, mehrheitlich im Alter zwischen 30 und 59 Jahren, stammten aus verschiedenen sozialen Schichten, wobei es sich meist um Vollbeschäftigte handle, die aus unterschiedlichen Gründen in finanzielle Not geraten seien. Manche hätten sich «finanziell überschätzt», so Stahel, andere Klienten seien beispielsweise ausgesteuerte Arbeitslose oder Personen im Krankenstand mit Taggeldbezug. «Wir hatten kaum Klienten, die ausdrücklich aufgrund von Corona bei uns Rat suchten», gibt Pascal Stahel an. Auch Beratungen von Personen in Kurzarbeit habe es lediglich «sehr wenige» gegeben. Die SDO überprüfen bei Klienten in finanzieller Not, ob ein einmaliger Nothilfebeitrag seitens der Caritas oder anderer Stiftungen beantragt werden kann. SDO-Geschäftsführer Stahel rechnet für die Trägergemeinden generell mit einem Anstieg der Zahl unterstützungsbedürftiger Personen bei der finanziellen Sozialhilfe in diesem Jahr, spätestens 2022. Auch geht er von einer Zunahme des Beratungsbedürfnisses bei denjenigen aus, die in knappen Einkommensverhältnissen leben oder verschuldet sind.«Gerade Menschen aus dem Tieflohnsegment sind durch Corona von Armut betroffen, sagt Lorenz Bertsch, Bereichsleiter Sozial- und Schuldenberatung der Caritas St. Gallen-Appenzell. Menschen, die trotz Arbeit wenig verdienen, sogenannte Working Poor, können rasch in eine finanzielle Schieflage geraten, weiss Bertsch und sagt: «Ein Schicksalsschlag genügt, etwa Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit, und das Kartenhaus bricht zusammen». (Siehe "Nachgefragt"). Nachgefragt«Wir haben bereits überdurchschnittlich viele Fälle»Gerade ist der Fach- und Armutsbericht 2020 der Caritas St. Gallen-Appenzell (CSA) erschienen. Wir haben Lorenz Bertsch, Bereichsleiter der Sozial- und Schuldenberatung der CSA und Leiter der Regionalstelle Sargans, um eine Einschätzung gebeten.[caption_left: Lorenz Bertsch, Bereichsleiter Sozial- und Schuldenberatung CSA.] Wie viele Menschen in finanzieller Notlage hat die CSA 2020 beraten?Lorenz Bertsch: Im Kanton St. Gallen waren es 509 Haushalte, im gesamten Einzugsgebiet 556.Die CSA hat zusätzlich noch 230 Kurzberatungen durchgeführt. Wie berät man in etwa 30 Minuten?Vielfach werden Basisinformationen weitergegeben, zum Beispiel, was bei einer Betreibung eines Inkassobüros zu tun ist. Hat jemand kein Einkommen und weiss nicht, wo er sich melden muss, triagieren wir zur richtigen Stelle.Nach welchen Kriterien entscheidet die CSA, welche Personen weitergehende Unterstützung bekommen?Unser Zielklientel sind Menschen, die am sozialhilferechtlichen Existenzminimum leben, und deren Lohn infolge eines Schicksalsschlages wie Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit oder Krankheit eingebrochen ist oder welche im Tieflohnsegment arbeiten. Das sind sogenannte Working Poor. Sie arbeiten, aber verdienen so wenig, dass sie in Armut leben müssen. Menschen, die Sozialhilfe, AHV oder IV erhalten, werden nicht unterstützt.Auf welchen Betrag beläuft sich die Überbrückungshilfe an Working Poor?Gesamthaft hat die CSA 612000 Franken an Überbrückungshilfen geleistet. 372 000 Franken im Rahmen der Corona-Überbrückungshilfen. Gelder hierfür kamen unter anderem von Institutionen wie «Ostschweizer helfen Ostschweizern», der Caritas Schweiz/Glückskette oder dem St. Galler Lotteriefonds. Auch privaten Spendern gegenüber können wir gewährleisten, dass die Spenden zu 100 Prozent armutsbetroffenen Menschen aus der Region zugute kommen.Welche Entwicklung erwarten Sie in diesem Jahr? Lässt sich nach vier Monaten ein Trend erkennen?Wir haben dieses Jahr per Stichtag 30. April schon 286 Haushalte beraten. Das sind überdurchschnittlich viele Fälle und die Tendenz ist leider steigend.Ist das Angebot an Sozialberatungen im Rheintal Ihrer Meinung nach ausreichend?Die Angebote sind grundsätzlich ausreichend, da jede Sozialfachstelle in gewissen Bereichen ihre Stärken hat. Wir triagieren entsprechend Klienten zu der Sozialfachstelle, welche am geeignetsten ist. Leider hat der persönliche Austausch coronabedingt gelitten, aber wir sind immer in Kontakt und arbeiten fallübergreifend zusammen. Bei der Beratung von Menschen, die in Armut leben, und bei der Schuldenberatung ist die CSA sicher einer der Player. Wir verfügen über viel Erfahrung und Professionalität.