16.06.2022

Das Himmelreich ist wie ein strahlender Bergkristall

Von Philipp Hautle, Rebstein
aktualisiert am 02.11.2022
Seit ich im Pfadilager im Calfeisental einen Bergkristall gefunden habe, faszinieren mich Mineralien. Letzte Woche ist mir ein Cavansit in die Hand gekommen. Welch ein wunderbarer Stein, in Millionen Jahren in einer dunklen Kluft im indischen Pune gewachsen. Gut einen Zentimeter gross, so fein verästelt. Himmelblau. Erst im Jahr 1960 wurde das Mineral Cavansit (eine Abkürzung für Calzit-Vanadium-Silikat-Stein) entdeckt. Der Cavansit wird mir zu einem Bild für die Seele. Diese geheimnisvolle innere Mitte, kostbar, verborgen im Dunkel unseres Daseins. Sie kann sich nur nach den innersten Gesetzen entfalten, wenn sie eine Kluft, einen Hohlraum um sich hat. Wird sie zugestopft, droht sie zu ersticken. Zurzeit wird in den Medien berichtet, die psychischen Erkrankungen hätten in den letzten zwei Jahren massiv zugenommen. Wächst diese Not, wo wir uns mit viel Betriebsamkeit, Geschäftigkeit, Sorgen, Erwartungen, Gütern vollstopfen? Seelsorge ist nötig. Viele Seelsorgerinnen und Seelsorger sind heute tätig, auch in unseren Kirchen. Oft in einer Spezialseelsorge – im Krankenhaus, Gefängnis, in der Armee, bei der Jugend oder mit beeinträchtigten Menschen. Als Seelsorger berührt es mich, wenn Menschen mir von ihrer Trauer, ihren Ängsten erzählen, von ihrer Ratlosigkeit, aber auch von ihren Hoffnungen und Freuden. Wenn sie mir ihre Sorgen anvertrauen, und mir so einen Blick in ihre Seelen gewähren. Mich freut es, wenn ich spüre, wie solche Seelsorgegespräche erleichtern, befreien. Wenn sie Ballast ausräumen. Sie machen nachdenklich und führen zu Einkehr und Stille, zum Hineinhören in das Innerste. Die Stimme des Herzens wieder vernehmen. Wenn das Herz Raum findet zum Atmen. Ja, bisweilen leuchtet in einem solchen Gespräch die Seele wie ein Edelstein auf. Das Gesicht strahlt. Haben solche Erfahrungen sogar mit dem Himmelreich zu tun? Von ihm spricht Jesus in Bildern. In Anlehnung an seine Bilder: Das Himmelreich ist wie ein Bergkristall, der über Jahrmillionen in einer dunklen Kluft gewachsen ist und sich entfaltet hat. Und wo Licht auf ihn fällt, strahlt er. Seelsorge ist nicht bloss ein kirchlicher Beruf. Wir alle sind eingeladen, Seelsorgende zu sein. Sorge zu tragen für die eigene Seele wie auch für jene, mit denen wir zusammenleben. Wir alle dürfen Strahlende sein. Dazu wünsche ich Ihnen Geduld und Feingefühl. Philipp Hautle, Rebstein

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