Rüthis Trainer Anto Tomas war restlos bedient: «Das darf doch nicht wahr sein! Wir müssten bis zur Pause sechs, sieben Tore schiessen – stattdessen kassieren wir zwei blödsinnige Gegentore.» Sein Rheinecker Antipode Rupert Schuster, der die letzte von vier Spielsperren im Klubhaus absass: «Das war ein glücklicher Sieg, aber für die Moral meiner Spieler ist er Gold wert.» Genau so war’s: Rüthis Stürmer verballerten munter Torchancen. Oder sie scheiterten an Rheinecks Lebensversicherung im Tor, dem 33-jährigen Captain Petar Petrov. Als nach 12 Minuten der Ball doch mal im Tor landete, war es Abseits: Allgäuer hatte es frei vor dem Goalie vorgezogen, den vor ihm postierten Kollegen Aydin anzuspielen.Matchwinner Afkari narrte die Rüthner VerteidigerRheineck stand tief in der eigenen Spielhälfte, die Spieler des punktlosen Schlusslichts gaben, was ihnen mit (meist) fairen Mitteln möglich war. Das reichte nicht, um alle Angriffswellen abzublocken – aber es war zumindest vor der Pause genug, um sich hie und da Entlastung zu verschaffen.Rohollah Afkari war der Adressat der vielen langen Bälle Rheinecks. Der 17-jährige Stürmer aus Afghanistan hatte bisher alle drei Saisontore erzielt. Gegen Rüthi verdoppelte er seine Ausbeute – und erstmals reichten seine Treffer zu einem Sieg. Die vermeintliche Entscheidung – Dario Reiflers Abstaubertor zum 3:0 nach 63. Minuten – hatte Afkari eingeleitet.Hatte Rheineck bis zu diesem Tor Rüthi nach der Pause ziemlich im Griff, kam es danach unter erheblich unter Druck. «Weil wir viele Spieler haben, die lange pausierten, fehlt uns die nötige Kondition, um das Spiel sicher nach Hause zu bringen», sagt Schuster. So kam Rü-thi durch Robin Sonderegger und Kadir Sönmez bis auf ein Tor heran. Ein Pfostenknaller von Jérôme Lüchinger und ein penaltyverdächiges Vergehen an Allgäuer ragten aus der hektischen Schlussphase heraus – bis tief in der Nachspielzeit einmal mehr Afkari loszog. Er wirkte nicht mehr so frisch wie vor der Pause – aber er hatte noch die Kraft, um das Spiel nun definitiv zu entscheiden.Rüthi kassierte schon die dritte Niederlage (immer auswärts), was nicht den Ansprüchen eines Vereins entspricht, der in den letzten drei Jahren stets in den Top 3 abschloss.Rüthi steckt im Tief, Rheineck atmet aufBeim FC Rheineck ist nach den ersten drei Punkten der Saison auch nicht plötzlich alles gut. Aber der Sieg zeigt den vielen unerfahrenen Spielern, dass der Kampf zum Erfolg führen kann. «Am Einsatz hat’s nie gelegen», sagt der Trainer, «diesmal hatten wir aber das Glück, das uns bei der 1:2-Niederlage gegen Altstätten gefehlt hat.» 3. Liga, Gruppe 2Rheineck – Rüthi 4:2 (2:0)
Stapfenwis – 100 Zuschauer – SR: Furkan.Tore: 15. Afkari 1:0, 38. Afkari 2:0; 63. Reifler 3:0, 69. Sonderegger 3:1, 78. Sönmez 3:2, 95. Afkari 4:2.Rheineck: Petrov; Bajrami, Borkovic, Weber, Bosshart; Niederer, Reifler, Müller, Krämer; Frano; Afkari. Eingewechselt: Frei, Buzimkic, Izairi, Karlidag, Koch.Rüthi: Hallauer; Schnüriger, Lüchinger, Städler, Sonderegger; Eugster, Zäch, Geisser, Allgäuer; Dos Santos; Aydin. Eingewechselt: Yavuz, Kamberi, Salehi, Sönmez.Gelbe Karten: 6. Borkovic, 20. Frano, 30. Karlidag; 73. Schnüriger, 80. Salehi (alle Foul), 87. Sönmez (Reklamieren). [caption_left: Rot und Blau sind seine Farben: Der 33-jährige Bulgare Petar Petrov hilft dem FC Rheineck mit seinen Paraden und seiner Erfahrung beim Neuaufbau nach dem grossen Aderlass. Bild: ys]ZweittextRheinecks PapaRheinecks erster Saisonsieg gegen Rüthi wäre ohne zwei Spieler nicht denkbar gewesen. Es sind die Pole der Mannschaft, die den Erfolg ermöglicht haben: Der Hinterste und der Vorderste auf dem Feld, der Älteste und der Jüngste in der Startaufstellung. Captain Petar Petrov (33-jährig) hielt in der ersten Halbzeit alle Bälle, die Rüthi aufs Tor brachte, Stürmer Rohollaha Afkari traf dreimal selbst und war am weiteren Tor massgeblich beteiligt.Petar Petrov ist der Schlüsselspieler bei Rheinecks Neuaufbau. «Wenn uns auch Petar verlassen hätte, wäre unser Projekt sinnlos», sagt Sportchef Salvatore Alberio. Aber der Bulgare blieb nach dem Abstieg aus der 2. Liga im Verein, als einziger nebst Vito Frano gehörte er schon letzte Saison zum Kader. «Ich hatte Möglichkeiten zum Wechseln», sagt Petrov, «aber für mich stand fest, dass ich in Rheineck bleibe.» Vor bald drei Jahren ist der Bulgare in die Schweiz gekommen, er wohnt mit seiner Familie in Walzenhausen und spielt seither beim FC Rheineck: «Ich habe im Verein viele Freunde gefunden – jetzt kann ich etwas zurückgeben.»Zuerst nur Ersatzgoalie in RheineckPetrov hat in der zweithöchsten bulgarischen Liga das Tor gehütet. Beim FC Rheineck, damals wie heute in der siebten Schweizer Spielklasse, war er vorerst Ersatzgoalie hinter Marco Dietsche. «Die Mannschaft gewann damals, und ich hatte noch Mühe mit der deutschen Sprache», sagt er, «Trainer Andi Giger führte mich deshalb langsam ans Team heran, das passte.»Längst ist Petrov Stammtorhüter auf der Stapfenwis. Seine Rolle im Team ist in dieser Saison aber nochmals deutlich grösser geworden. Jetzt ist er Captain, er muss Verantwortung übernehmen und die vielen jungen Spieler ans Team heranführen. Die Sprache, die am Anfang eine Barriere darstellte, beherrscht er inzwischen so weit, dass er diese Aufgabe meistern kann.Dem neuen Sportchef Alberio, der auch Rheinecks A-Junioren trainiert, ist die Zusammenarbeit mit Rheinecks zweiter Mannschaft wichtig. Teilweise ist die Durchlässigkeit der Aktivmannschaften bis zu den A-Junioren auch notwendig. Trainer Rupert Schuster muss seine Aufstellung regelmässig mit Spielern der 4.-Liga-Mannschaft ergänzen. Eine Voraussetzung dafür ist, dass der Zusammenhalt unter den Teams intakt ist.Grosse Familie in WalzenhausenPetar Petrov hat Freude an seiner neuen Aufgabe: «Wir haben wenig Qualität, aber die Spieler halten zusammen. Ich fühle mich jetzt wohler als in der letzten Saison.» Er ist der Spieler-Papa – eine Aufgabe, die ihm nicht fremd ist. Denn Petar Petrov ist tatsächlich Vater. Zwei Töchter brachte seine Frau in die Ehe, die Älteste besucht bereits die Kantonsschule. Und vor einem Jahr ist er Vater eines Sohns geworden. Petar Petrov lacht: «Er ist die Zukunft des FC Rheineck.»