30.06.2018

Das Fussballspiel – christlich betrachtet

Von Armin Scheuter
aktualisiert am 03.11.2022
Das Lebensmotto der Barockzeit «carpe diem – memento mori» (nutze/geniesse den Tag – bedenke, dass du sterben musst) passt gut zum Fussballspiel. Jeder, der schon einmal eine Zitterpartie zweier Mannschaften verfolgt hat, versteht, was damit gemeint ist, die Zeit zu nützen oder zu vertun. Man denke nur an das Freitag vergangener Woche ausgetragene WM-Spiel Schweiz gegen Serbien. Als in den letzten Minuten das entscheidende Tor geschossen wurde. Für die Schweizer Mannschaft hätte es wohl das frühzeitige Ausscheiden aus der WM 2018 bedeutet, wären die für sie notwendigen Tore nicht erzielt worden. Unsere Zeit auf der Erde ist begrenzt, das Himmelreich nimmt hier seinen Anfang, aber zur Vollendung gelangen wir erst ausserhalb unseres begrenzten irdischen Spielfeldes. Die feuchtfröhliche Meisterschaftsfeier der Spieler findet auch nicht in der Fussballarena statt, aber dass sie stattfindet, haben sie im Stadion in der Hand, am Fuss. Ebenso hat der feierliche Ablauf des Spiels etwas Religiöses. Instrumentalmusik, Hymnen, Wechselgesänge, spezielle Körperhaltungen, gestaltende Formationen, Farbenspiele – dominiert von Grün, ein eindeutiges Zentrum (das zu tretende runde Leder) auf das sich alles fokussiert: All das gleicht einer vorgeschriebenen Liturgie, die wir auch in Gottesdiensten finden.Ohne wahren Teamgeist lässt sich kein Spiel gewinnen – der Einzelne kann seine Talente nur in der Gemeinschaft zur Geltung bringen und über sich hinauswachsen. Wenn wir in der Kirche vom Heiligen Geist sprechen, der uns Christen beflügelt, meinen wir auch diese Kraft, die nicht nur die Summe der Kräfte aller Einzelnen darstellt, sondern weit mehr bedeutet – die man durchaus göttlich nennen kann, wenn sie spürbar wird. Der Heilige Geist lässt uns über uns hinauswachsen und Leistungen erzielen, die sonst nicht möglich wären. Jede Mönchs- und Nonnengemeinschaft, aber auch jede Pfarrei erzählt eine solche Geschichte.Was wäre Fussball ohne die Berg- und Talfahrt der Emotionen. Trauer und Freude, Hingabe und Angst, Wut und Liebkosung, Hoffnung und Lethargie: All das liegt immer ganz nah beieinander und bildet verdichtet unser aller Leben ab. Es braucht den Trainer auch als Seelsorger, der mit den Stimmungen der Spieler umzugehen weiss – sie motivieren kann, wenn sie entmutigt während der Spielpause in der Mannschaftskabine zusammenkommen.Die böse Tat, Verletzung an Seele und Leib, Schuld, Sühne und Strafe in einem Spiel bilden gleichfalls den Kosmos christlichen Lebens ab. Allerdings kommen Vergebung und Reue im Fussballspiel eher zu kurz. Dafür gibt es den fast allmächtigen Wächter, in Form des Schiedsrichters. Besser wäre es jedoch, wenn jeder Spieler den Schiedsrichter in seiner Seele hätte. Viel Leid durch Foulspiel bliebe erspart. Möge es bei uns Christen so sein.Armin ScheuterPfarreibeauftragter in Kobelwald

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