23.12.2021

Das etwas andere Krippenspiel

Von Philipp Hautle
aktualisiert am 02.11.2022
Krippenspiele umkreisen fantasievoll das Geheimnis von Weihnachten. Ist dies auch mitten in der Pandemie möglich? In der Primarklasse von Elvira Frei könnte ein Klassenchat im Advent so abgelaufen sein: Die Lehrerin plant, ein Krippenspiel mit ihrer Klasse vorzubereiten, und sagt: «Ob wir dieses Jahr ein Krippenspiel aufführen können? Wir sind nur sieben Kinder, zwölf sind zu Hause in Quarantäne.» «Frau Frei, wir könnten eine Engelschar sein. Und allen daheim einen Coronastern schenken», sagt Elena. Rita fügt an: «Und einen schicken wir auf die Intensivabteilung des Kantonsspitals in St. Gallen. Die ist voll mit Coronapatienten und -patientinnen.» Unterdessen hat Severin den Kindern daheim die Frage der Lehrerin gemailt. Nicht lange – und ein erstes Mail trifft von Petra ein: «Ich bin der Engel Raphael und werde meine Oma mit einer Laterne auf den Friedhof zu Opas Grab begleiten; er ist diesen Frühling an Corona gestorben.» Sabrina meldet sich vom Tablet aus: «Ich will ein starker Engel sein. In unserem Haus wohnt ein Ehepaar, das nicht geimpft ist. Vielleicht hat es uns sogar angesteckt. Ich will für die beiden eine Kerze anzünden, damit sie sich impfen lassen.» Susann liegt mit Fieber im Bett und mailt: «Ich kann kein Engel sein. Ich bin eine kranke Hirtin und suche den Stall von Bethlehem. Mein Opa hat mir das Bild einer Krippe geschenkt. Hinter ihr steht ein Kreuz. Jesus sei unser Erlöser, sagt er.»Plötzlich schaut Sandra der Lehrerin ins Gesicht und sagt: «Sie müssen am Heiligen Abend um 17 Uhr daheim sein. Die Engel haben eine Überraschung für Sie.» Erstaunt nickt die Lehrerin, überlegt kurz und meint: «Ich werde da sein.» Martina hat bis jetzt geschwiegen. Es ist ihr anzusehen, dass sie nachdenkt. Endlich meint sie: «Mir gehen die vielen Kinder nicht aus dem Kopf, die in Afrika wegen Corona nicht zur Schule gehen. Sie hungern oft, weil ihre Eltern nicht arbeiten können.» Rolf schlägt vor, Weihnachtsguetzli zu backen und sie in der Pause zu verkaufen. «Und den Erlös schicken wir nach Afrika. Wenn wir nur wenigstens einem Kind helfen können – besser als nichts.» Peter meldet sich von daheim: «Auch wenn ich in Quarantäne bin – ich nehme mein Saxofon und spiele vor unserem Haus ‹Das isch de Stärn vo Bethlehem›.»Ganz am Schluss fragt Berni in einem Mail: «Müssen wir denn überhaupt Weihnachten feiern?» Seine Frage bleibt unbeantwortet. In der Pause beraten die sieben Kinder weiter und beschliessen: «Wir singen am Heiligen Abend im Garten von Frau Frei: ‹Vom Himmel hoch, da komm ich her› und schenken ihr eine Christrose.»Philipp HautleRebstein

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