Mit «Wir dachten: Was ist das denn?» beschreibt Roger Stieger, Geschäftsleiter Immobilien der rt AG in Altstätten, den Tag, der auf den Lockdown folgte.Am Dienstag, 17. März, hätten Kaufinteressenten, Verkaufswillige und Mietinteressenten alle vereinbarten Termine abgesagt, sagt Stieger. Eine Woche lang sei gar nichts gelaufen. Keine Gespräche, keine Termine, nichts. Das Immobilienbüro im Lockdown. Jetzt sei man wieder «voll auf Kurs», sagt der Immobilienfachmann.Sowohl Käufer wie auch Verkäufer zögernAuch Raphael Hagspiel, der für das Rheintal zuständige Geschäftsführer der Firma Immobutler, hat in den letzten Wochen bei Kaufinteressenten und bei Verkäufern «eine gewisse Unsicherheit» gespürt.Konkrete Absagen habe es auch gegeben. Man fühle sich nicht wohl, in der jetzigen Zeit so viel Geld auszugeben, hätten ihm Kaufinteressenten mitgeteilt. Fast noch stärker nahm Hagspiel aber eine abwartende Haltung seitens der Verkäufer wahr. «Wer den Entscheid, sein Eigenheim oder die Eigentumswohnung zu verkaufen, bereits getroffen hatte, überlegte plötzlich, ob Wohneigentum in Krisenzeiten nicht doch eine sichere Anlage sei», beschreibt Raphael Hagspiel die Zurückhaltung. Ramon Lüchinger, Geschäftsführer der RL Immo in Oberriet, annullierte einen bereits unterzeichneten Verkaufsauftrag. «Ein älterer, alleinstehender Kunde gab an, aufgrund der Coronakrise sein Haus vorerst lieber behalten zu wollen», so Lüchinger.Dennoch: Alle genannten Immobilienmakler konnten in den letzten Wochen auch Abschlüsse tätigen. Sofern die vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) vorgeschriebene Gruppengrösse eingehalten wird, können Verschreibungen vorgenommen werden. Auch Objektbesichtigungen sind unter Einhaltung der Hygieneregeln und der erlaubten Personenzahl möglich. «Manche Leute, die verkaufen wollen, haben Angst, sich mit dem Coronavirus anzustecken, wenn fremde Personen für eine Besichtigung ins Haus kommen sollen, andere nicht», beschreibt Ramon Lüchinger seine Erfahrungen. In solchen Fällen sei sensible Überzeugungsarbeit gefragt. Eine Immobilie lässt sich schlecht verkaufen, ohne dass ein Kaufinteressent sie in Augenschein nehmen kann. Auch eine «virtuelle Besichtigung», wie sie vielfach für im Internet aufgeführte Kaufobjekte angeboten wird, ist da kein Ersatz, sondern hat nur die Funktion einer Vorselektion.Wer optimistisch kalkuliert, riskiert in der KriseEin Preis von einer Million Franken für ein Einfamilienhaus oder eine grössere Eigentumswohnung ist längst keine Seltenheit mehr. Viele Objekte neueren Datums liegen deutlich darüber. Ein Rechenbeispiel: Das Objekt kostet eine Million Franken, der Käufer bringt 20 Prozent Eigenmittel ein. Für die finanzielle Tragbarkeit inklusive der Amortisation einer zweiten Hypothek sollte man über ein nachhaltiges Bruttoeinkommen von mindestens 180 000 Franken verfügen.Wer das Haushaltsbudget knapp oder sehr optimistisch kalkuliert hat, kann in Krisenzeiten schnell finanziell unter Druck geraten. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronapandemie haben dazu geführt, dass manche Kunden bei ihrer Hausbank um eine Stundung der Amortisationen nachsuchten. Weder Bankenvertreter noch Immobilienfachleute gehen aber derzeit davon aus, dass im Rheintal mit einer Welle von Zwangsversteigerungen zu rechnen sei.«Das Neugeschäft mit Immobilien wird stark zurückgehen», sagt Reto Monsch, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Alpha Rheintal Bank. Ein Einbruch der Immobilienpreise sei jedoch nicht zu erwarten, da das Zinsniveau (um die 1,3 Prozent für eine Zehn-Jahres-Hypothek) tief sei.Monsch geht derzeit von «sehr wenigen Zwangsverkäufen» aus. Die Immobilienpreise dürften durchaus ein wenig sinken, meint Immobilienmakler Roger Stieger, das täte dem Markt gut. Raphael Hagspiel ist überzeugt, dass die Leute eher auf Urlaub und Extras verzichteten, um sich das Eigenheim – in Zukunft noch oder hoffentlich bald – leisten zu können. Wohneigentum könnte durch Corona noch beliebter werdenPrognose Die Nachfrage nach Wohneigentum werde durch die Coronapandemie lediglich «kurzfristig» gedrosselt, schreibt die Immobilienberatung Wüest Partner AG in ihrem Immo-Monitoring von Anfang April. Dies, weil höhere Einkommensklassen mit sinkenden Gesamtlöhnen rechnen und gegebenenfalls Verluste bei den Eigenmitteln hinnehmen müssten. Weil die Hypothekarzinsen trotz einer leichten Erhöhung seit Ende März weiterhin attraktiv seien, dürfte die Nachfrage nach Wohneigentum und damit das Kaufinteresse stabil bleiben. Die Wüest Partner AG geht davon aus, dass sich die wirtschaftlichen Unsicherheiten bei mittelgrossen Einfamilienhäusern «vorerst schwächer» auswirkten als bei Eigentumswohnungen, bei denen eine «negative Preisentwicklung» wahrscheinlicher sei.Die Bedeutung guter Wohnqualität, möglichst in den eigenen vier Wänden, könnte vielen durch die Coronakrise noch erstrebenswerter erscheinen und die Attraktivität selbst genutzten Wohneigentums stützen.