04.05.2021

Das Angebot nie abbauen müssen

Der Rechtsanwalt war 21 Jahre VR-Präsident von Bus Ostschweiz. Schon vorher hatte er gezeigt, was es nützt, hartnäckig zu sein.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Er war Gemeinderat in Diepoldsau, als er begann, den damaligen Geschäftsführer von Rheintal Bus (RTB) mit einem grossen Wunsch zu nerven. Bahn und Bus hatte er immer geschätzt, doch seit einem Skiunfall im Jahre 1979 konnten öffentliche Verkehrsmittel gerade für ihn ihre Tücken haben. Angewiesen auf den Rollstuhl, betätigte sich Hans Frei in einer ÖV-Gruppe der Behindertenverbände.«Wann kommen die ersten Niederflurbusse?»Von den Gemeinden war Diepoldsau einer der grösseren RTB-Aktionäre. Hans Frei als Gemeinderat brannte darauf, an einer RTB-Generalversammlung Diepoldsau zu vertreten und ein ihm wichtiges Anliegen vorzutragen. Er fragte: «Wann kommen die ersten Niederflurbusse?» Der Geschäftsführer des Verkehrsbetriebs sprach sich in einer längeren Rede gegen Fahrzeuge mit besonders tiefliegenden Böden aus, so dass sich der damalige VR-Präsident Peter Bauder ungefähr mit diesen Worten Hans Frei zuwandte: «Ich nehme an, Sie sind von dieser Antwort nicht befriedigt.»[caption_left: Heute eine Selbstverständlichkeit: Niederflurbusse.]Nein, das war Hans Frei tatsächlich nicht. Als er im Jahr darauf Berlin besuchte, sah er dort nichts anderes als Niederflurfahrzeuge, also brachte er das Thema an der nächsten Generalversammlung wieder vor. Nun wurde ihm gesagt, Berlin sei mit dem Rheintal nicht vergleichbar, Busse hätten hier im Winter auch Bergstrecken zu meistern.An der nächsten Generalversammlung meldete sich Hans Frei zum dritten Mal zu Wort. Inzwischen hatte er Davos besucht und erfreut die hier eingesetzten Niederflurbusse zur Kenntnis genommen. Wieso, fragte er, soll im Rheintal nicht möglich sein, was in Davos gang und gäbe ist? Der bald darauf an die Spitze des Unternehmens berufene neue Geschäftsführer brachte das Anliegen des Diepoldsauers schon an der ersten Verwaltungsratssitzung zur Sprache - und siehe da: mit Erfolg. Im Verwaltungsrat wurden Niederflurbusse als sinnvolle Sache erachtet.Öffentlicher Verkehr war auszubauenAls Hans Frei im Juni 2000 Verwaltungsratspräsident des Verkehrsbetriebs wurde, kam das völlig überraschend. Der amtierende Präsident machte gesundheitliche Gründe für einen Wechsel geltend, Hans Frei sprang ins kalte Wasser. Heute stellt er fest: «Ich war in einer guten Zeit der Präsident.» Beim öffentlichen Verkehr bestand grosser Nachholbedarf, er war auszubauen. Seither sei es stets bergauf gegangen. Sei von Sparen die Rede gewesen, habe dies nicht einen Abbau, sondern bloss einen verzögerten Ausbau bedeutet, sagt der Präsident.Die markanteste Veränderung der letzten zwanzig Jahre ist somit das Wachstum. Die Gebietserweiterung. Der Erfolg bei Ausschreibungsverfahren. 2003 ist man in Wil eingestiegen, 2007 gewann das Unternehmen die Ausschreibung für den Betrieb der Buslinien im Raum Sarganserland-Werdenberg. Das warf hohe Wellen. Hans Frei lächelt verschmitzt und bemerkt schön langsam, als hätte er den Geschmack einer Praline im Mund: «Wir haben immerhin Postauto hinter uns gelassen, das war schon speziell.» Die damit verbundenen deutlich grösseren Aufgaben hätten ihn zwar nicht belastet, aber es gab schon «Momente, i dene ma tänkt: Hoffentlich chunnt da guet». 2019 wurden die Autokurse im Oberthurgau übernommen, ab dem nächsten Fahrplanwechsel, also ab 12. Dezember, wird Bus Ostschweiz auch für den Busverkehr im ganzen Fürstentum Liechtenstein zuständig sein.Als Hans Frei das Präsidium übernahm, betrug die Zahl der Mitarbeitenden 65 bis 70, jene der Fahrzeuge zwei Dutzend. Heute liegt der Personalbestand bei 350, gut 100 Busse sind unterwegs. Mit dem Einstieg in Liechtenstein kommen weitere 100 Mitarbeitende sowie 40 Fahrzeuge dazu.Wegen Corona ein Jahr angehängtNachdem Hans Frei 1985 das Anwaltspatent erworben hatte, arbeitete er in einem Teilzeitpensum für den Rechtsdienst der St.Galler Staatskanzlei. Indem er hauptsächlich das Protokoll im Kantonsrat zu führen hatte, wurde er mit der Kantonspolitik vertraut. Es war die Zeit, als der in Marbach aufgewachsene Hans Frei Altstätten verliess und nach Diepoldsau zügelte. Hier fragte ihn Kantonsrat Manfred Frei, ob er nicht für die CVP in den Gemeinderat wolle, so dass der bis dahin Parteilose der CVP beitrat, sich aber dem linken Parteiflügel zugehörig fühlte. Im Kantonsrat sass er später zusammen mit seiner Frau Ursula Graf Frei, die für die SP 14 Jahre lang als Parlamentarierin politisierte.Seinen Posten als Verwaltungsratspräsident des Verkehrsbetriebs hatte Hans Frei schon letztes Jahr aufgeben wollen, mit 65, nach zwanzigjährigem Wirken. Aber sein Nachfolger Daniel Wild war wegen der Pandemie plötzlich stark angebunden - als Direktor einer Klinik und Mitglied im Thurgauer Führungsstab. Also verlängerte der Diepoldsauer sein präsidiales Wirken um ein Jahr, das ihm privat neue Freiheiten brachte und dazu diente, sich einen alten Wunsch zu erfüllen. Den Winter verbrachte Hans Frei im Engadin, vier Monate war er dort.Mit anderen hat Hans Frei zugunsten des Doppelspurausbaus der Bahn «gweiblet und gmacht», bemerkt er, «bis nach Bern». Zur jüngst im Kantonsrat erhobenen Forderung nach Busbuchten sagt Hans Frei, aus Sicht von Rheintal Bus gebe es je einen gewichtigen Vor- und Nachteil. Mit Busbuchten lasse sich der Fahrplan kaum einhalten; stehe hingegen der Bus auf der Strasse, halte er den Verkehr auf. Seit etwa einem halben Jahr bringt der Verkehrsbetrieb seine Dankbarkeit für die Gewährung des Vortritts stets unverzüglich zum Ausdruck: Wird der Bus aus der Bucht gelassen, leuchtet auf Knopfdruck am Heck in der Anzeige ein «Danke» auf.Überhaupt, der Fahrplan. Die Schwierigkeit, ihn immer einzuhalten, ist ein Dauerthema. Als mögliche Zeiteinsparung nennt Hans Frei den Verzicht auf den Billettverkauf im Bus, doch sei auch dies natürlich nicht nur vorteilhaft. Sowohl die vielbefahrene Entenbadkreuzung in Heerbrugg als auch das ohne eigene Busspur zu oft stockende Vorankommen in Diepoldsau sind ungelöste Probleme geblieben. Andererseits ist das «Buuchweh» im Jahr 2014 wieder abgeklungen. Damals hatte der Kanton den Verkauf seines vierzigprozentigen Aktienanteils erwogen. Wäre es dazu gekommen, würde das Unternehmen nicht mehr von hier gesteuert; es «wäre kein Rheintaler Unternehmen mehr», sagt Hans Frei.[caption_left: Häufiger Stau wie in Diepoldsau kann die Einhaltung des Fahrplans verhindern.]Ein Chauffeur belehrte den GewerkschaftsbossEin besonders schönes Erlebnis hatte Hans Frei als Verwaltungsratspräsident, als der Gewerkschaftssekretär das Unternehmen besuchte und ziemlich grob geworden sei. Ein Buschauffeur sei dem Gewerkschafter ins Wort gefallen und habe ihm deutlich zu verstehen gegeben, dass mit den Verantwortlichen seines Betriebes so nicht geredet werde.Nach dem Rücktritt als Präsident diese Woche bleibt Hans Frei bis zum Fahrplanwechsel im Dezember mit beratender Stimme Mitglied der Projektorganisation für Liechtenstein.Die Ausdehnung seines privaten Freiraums nutzt er fürs Handbikefahren, fürs Lesen von Zeitung und Krimis, aber auch fürs Kochen. Und den Winter, das steht jetzt schon fest, verbringt er abermals im Engadin.

Abo Aktion schliessen
News aus der Region?

Alle Geschichten, alle Bilder

... für nur 12 Franken im Monat oder 132 Franken im Jahr.