11.10.2022

Darum hängt das Obst noch immer

Es ist Erntezeit. Doch statt Pflücken ist Abwarten und dann Aufheben bei Bauer Thomas Heierli angesagt.

Von Malena Widmer
aktualisiert am 02.11.2022
Äpfel und Birnen baumeln an den Bäumen von Thomas Heierli in Wolfhalden. Er hat hier seit 1992 einen Bauernhof mit Kühen, Seeblick und rund 220 Hochstammbäumen.Seine Bäume liefern durchschnittlich 25 Tonnen Obst pro Jahr. Dieses Jahr werden es aber weniger sein, Heierli rechnet mit bloss 5 Tonnen. «Der Hagel hat uns im Frühjahr die Früchte zerschlagen und aus irgend­einem Grund blühte die Wasser-Birne dieses Jahr nicht», sagt der Bauer. Das Ernteeinkommen könne stark variieren: Im Jahr 2018 etwa habe er über 40 Tonnen Obst geerntet, dieses Jahr wird es ein Bruchteil davon sein. Dass der Ertrag dieses Jahr deutlich geringer ausfällt, betrübt Heierli aber nicht gross, denn sein Haupteinkommen liegt in der Milchproduktion. Zudem zahlt der Bund pro Hochstammbaum eine Direktzahlung an die Besitzer, um so den Bestand zu sichern. Die Hochstammobstbäume gehören nämlich seit Jahrhunderten zu der Schweizer Kulturlandschaft und schaffen wichtigen Lebensraum für verschiedene Tier­arten.Elf verschiedene Apfel- und BirnensortenDie Arbeit als Obstbauer erfüllt Thomas Heierli auch in einem Jahr mit weniger Ertrag. «Draus­sen in der Natur arbeiten zu können, das ist für mich wie Freiheit», sagt er lachend. Er sei Bauer geworden aufgrund seiner Liebe zur Natur und weil er so selbstständig arbeiten kann. Natürlich sei seine Arbeit auch nicht immer lustig, an regnerischen Tagen wäre ein Bürojob wohl angenehmer, überlegt er augenzwinkernd.Doch sein Betrieb liege ihm am Herzen. Seine Obstbäume wurden noch von seinen Vorgängern gepflanzt und zeigen eine grosse Vielfalt: Er pflegt elf verschiedene Apfel- und Birnensorten. «Tobiässler, Bohn-Apfel, Glocken-Apfel, Boskoop, Schneider, Marxen-Birne, Wasser-Birne, Knoll-Birne und so weiter», zählt er auf. Früher habe man auf möglichst viele verschie­dene Sorten gesetzt, so war man besser abgesichert. Blühte etwa eine Sorte nicht, wie Heierlis Wasser-Birne in diesem Jahr, hatte man immer noch die zehn anderen Obstsorten. Zudem haben die diversen Sorten auch unterschiedliche Eigenschaften. Aus Boskoop lassen sich zum Beispiel hervorragend Apfel­ringe und Apfelmus herstellen, Bohn-Äpfel sind besonders gut für das Mosten geeignet.So wird das «Bschorle» hergestelltHeierli gibt 90 Prozent seiner Äpfel und Birnen an den Verein IG Appenzeller Obst weiter. Die Früchte können nicht lange gelagert werden und kommen so schnell wie möglich in die Mosterei, wo die Äpfel und Birnen getrennt zuerst zu Saft und dann zu Konzentrat verarbeitet werden. Dasselbe ist lange haltbar und wird gebraucht, um das Appenzeller Getränk «Bschorle» herzustellen.«Bschorle» ist eines der Produkte des Vereins IG Appenzeller Obst. Der Verein wurde 2016 ins Leben gerufen, Thomas Heierli war von Anfang an dabei. «Der Zweck ist die Verwertung von Obst aus dem Appenzellerland», sagt er. Im Jahr 2015 zeigten die grossen Mostereien vermehrt kein Interesse mehr an Birnen, es waren hauptsächlich Äpfel erwünscht. Heierli erinnert sich: «Uns wurde empfohlen, die Birnbäume umzutun.»Für die Bauern war das keine Option, es wurde nach einer anderen Lösung gesucht. Der Oberegger Bauer Fredi Klee hatte dann die zündende Idee und gründete den Verein IG Appenzeller Obst. Zusammen mit der Brauerei Locher stellt der Verein mittlerweile drei verschiedene Produkte her. Das Getränk «Bschorle», der «Bschorle Balsamessig» und neuerdings auch das «Bschorle Fondue». So können Birnen sowie Äpfel aus dem Appenzellerland verwertet werden und die Birnbäume haben Bestehen. Der Verein zählte bei seiner Gründung vor acht Jahren 30 Mitglieder, jetzt sind es rund 200. Vor allem in den letzten zwei Jahren war ein grosser Zuwachs zu beobachten. «Die meisten Appenzeller Obstbauern sind mittlerweile dabei und liefern ihr Obst an den Verein», sagt Heierli.Sammeln, nicht pflückenMomentan befindet Heierli sich mitten in der Erntezeit seines Obstes. Von Anfang September bis Ende Oktober sammelt er mit seiner Ehefrau die reifen Früchte ein. Geerntet wird auf dem Hof von Heierli nicht, indem das Obst gepflückt wird. Es wird abgewartet, bis die Birnen und Äpfel von den Bäumen fallen, woraufhin Thomas Heierli und seine Ehefrau sie zusammentragen. «Das Obst kann so am Baum ausreifen. Es ist besser, abzuwarten, bis die Früchte ganz reif sind und von selbst fallen, ansonsten sind sie sauer und haben zu wenig Saft.» Dies ist besonders wichtig für Heierli, da aus seinem Obst Most produziert wird. «Mit unreifen Früchten funktioniert das nur schlecht», sagt Heierli. Erst gegen Ende der Saison wird nachgeholfen: Die Früchte werden dann mit langen Eisen­stäben, sogenannten «Schütt­haken», von den Bäumen geschüttelt.Bis es so weit ist und das Obst heruntergeschüttelt wird, dauere es zum Glück noch ein bisschen, so Heierli. Den verschiedenen Sorten tun die feuchten Herbsttage gut, die jetzt kommen. «Nach dem trockenen Sommer kann jetzt noch Wachstum nachgeholt werden», sagt Heierli: «Das Wasser ist gerade noch rechtzeitig gekommen.»

Abo Aktion schliessen
News aus der Region?

Alle Geschichten, alle Bilder

... für nur 12 Franken im Monat oder 132 Franken im Jahr.