Die Gemeindeordnung ist so etwas wie die Verfassung einer Gemeinde. Darin ist geregelt, wer wofür zuständig ist, besonders, welche Kompetenzen der Gemeinderat hat und welche die Bürgerschaft. Eine Verfassung ändert man nicht oft, weil alle weiteren Regelungen auf ihr aufbauen. Die heutige Bundesverfassung von 1999 löste eine aus dem Jahr 1874 ab. Die Kantonsverfassung von 2003 trat an die Stelle einer vorhergehenden aus dem Jahr 1890. Die Gemeindeordnung der Politischen Gemeinde Oberriet gilt seit 2012 – und soll nun bereits wieder ersetzt werden. Die Stimmberechtigten sind eingeladen, am 11. April eine neue Version zu genehmigen. Wegen Corona an der Urne, statt an einer Bürgerversammlung.Verfassungen werden freilich laufend mit Teilrevisionen geändert, wobei der Kern aber bestehen bleibt. Im Prinzip ist das jetzt auch in Oberriet so. Vergleicht man die neue mit der alten Gemeindeordnung, so sieht man, dass der Grossteil eins zu eins übernommen wird. Und doch gibt es einige wesentliche Änderungen, die nach Ansicht des Gemeinderates rechtfertigen, von einer Gesamtrevision zu sprechen.Im Besonderen möchte der Gemeinderat mehr finanziellen Handlungsspielraum, sowohl für unvorhergesehene und darum nicht budgetierte Ausgaben, als auch – und dies im Besonderen – für Grundstücksgeschäfte. Die Limite, bis zu welcher der Gemeinderat eine Liegenschaft kaufen darf, ohne zuvor die Bürgerschaft konsultieren zu müssen, liegt heute bei einer Million Franken. Neu wird sie bei anderthalb Millionen Franken liegen.Kostet eine Liegenschaft, die der Gemeinderat kaufen möchte, mehr, so ist das Geschäft heute bis zu einem Preis von zwei Millionen Franken dem fakultativen Referendum zu unterstellen. Kostet sie noch mehr, kommt es zwingend vor die Bürgerversammlung.Auch diese Limite wird erhöht: Das fakultative Referendum ist auszuschreiben für Liegenschaftskäufe bis 3 Mio. Franken. Drüber ist die ausdrückliche Zustimmung der Bürgerschaft einzuholen: bis 8 Mio. Franken an der Bürgerversammlung, für jegliche Ausgaben über 8 Mio. Franken gibts neu grundsätzlich eine Urnenabstimmung.Nicht alle Verkäufer mögen Fristen abwartenMan kann geteilter Ansicht darüber sein, ob die Erhöhung der Finanzbefugnis des Gemeinderates noch «moderat» ist, wie es im Amtsbericht heisst. Gemeindepräsident Rolf Huber verweist aber auf die Grundstückspreise, die in den letzten Jahren massiv gestiegen sind: «Nicht jede Verkäuferschaft mag warten, bis die Frist eines fakultativen Referendums abgelaufen ist.» Für eine rasche Abwicklung strategisch wichtiger Grundstücksgeschäfte sei die Anpassung der Finanzkompetenz nötig.Auch die Limiten für den Verkauf von Liegenschaften wer-den erhöht. Sie werden aber wie bisher unter jenen für einen Kauf liegen. Dafür habe sich der Gemeinderat aus der Überlegung heraus entschieden, dass die Bürgerinnen und Bürger ein Grundstück womöglich nicht oder anderweitig verkaufen möchten, erklärt Rolf Huber.Die Bürgerschaft bekommt ein neues VolksrechtAber nicht nur der Gemeinderat, auch die Bürgerschaft soll mehr Rechte bekommen. Neben Referendum und Initiative ermöglicht die neue Gemeindeordnung neu die Volksmotion. Das mehrstufige Verfahren lässt mehr Spielraum als die Initiative: Heisst die Bürgerschaft ein Anliegen gut, arbeitet der Gemeinderat eine Vorlage dazu aus, über die die Bürgerschaft dann erneut befindet.Ausserdem wird in der neuen Gemeindeordnung das eine oder andere aus der bisherigen noch etwas präzisiert. Und manche Begriffe werden dem neuen Rechnungsmodell angepasst, auf das die Gemeinde wie alle Gemeinden im Kanton umstellen musste.